rel='stylesheet' type='text/css'>
Schopenhauers Kosmos

 

 Zufall. Zufälligkeit.

1) Begriffsbestimmung des Zufalls.

Das Zusammentreffen in der Zeit von Begebenheiten, die nicht in Kausalverbindung stehen, ist was man Zufall nennt, welches Wort vom Zusammentreffen, Zusammenfallen des nicht Verknüpften herkommt. Ich trete z. B. vor die Haustür, und es fällt ein Ziegel vom Dach, der mich trifft; so ist zwischen meinem Heraustreten und dem Fallen des Ziegels keine Kausalverbindung. (G. 88.) Zufällig bedeutet das Zusammentreffen in der Zeit des kausal nicht Verbundenen. (P. I, 229.)
Der Inhalt des Begriffs der Zufälligkeit ist also negativ, nämlich weiter nichts als dieses: Mangel der durch den Satz vom Grunde ausgedrückten Verbindung. Da nun aber alle Objekte dem Satz vom Grunde unterworfen sind, so ist auch die Verneinung der Notwendigkeit, welche die Zufälligkeit ausdrückt, nur relativ. Das Zufällige ist nämlich immer nur in Bezug auf etwas, das nicht sein Grund ist, ein solches. Jedes Objekt, von welcher Art es auch sei, ist allemal notwendig und zufällig zugleich; eine Begebenheit z. B. ist notwendig in Beziehung auf das Eine, das ihre Ursache ist, zufällig in Beziehung auf alles Übrige. Denn ihre Berührung in Zeit und Raum mit allem Übrigen ist ein bloßes Zusammentreffen, ohne notwendige Verbindung. Ein absolut Zufälliges ist also undenkbar; denn dieses Letztere wäre ein Objekt, welches zu keinem anderen im Verhältnis der Folge zum Grunde stände, — was, weil es gegen den Satz vom Grunde streitet, unvorstellbar ist. (W. I, 550. E. 46. P. I, 229.)

2) Missbrauch des Wortes zufällig in dem vorkantischen Dogmatismus.

(S. unter Notwendig, Notwendigkeit: Kritik des Begriffs der absoluten Notwendigkeit.)

3) Planmäßigkeit des Zufälligen im Schicksal des Einzelnen.

(S. unter Schicksal: Die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen, und unter Fatum, Fatalismus: Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem höheren Fatalismus.)

4) Gleichgültigkeit des Zufalls gegen Verdienst, und die daraus zu schöpfende Hoffnung.

Wohl ist der Zufall eine böse Macht, der man so wenig wie möglich anheimstellen soll. Doch, da er seine Gaben nicht nach Verdienst und Würdigkeit austeilt, so dürfen wir hieraus auch die freudige Hoffnung schöpfen, noch manche gute Gabe unverdient zu empfangen. Der Zufall macht uns einleuchtend, dass gegen seine Gunst und Gnade alles Verdienst ohnmächtig ist und nichts gilt. (P. I, 498. M. 360.)

5) Empfehlung der Berücksichtigung der Macht des Zufalls bei unseren Vorkehrungen für die Zukunft.

Der Zufall hat bei allen menschlichen Dingen so großen Spielraum, dass wenn wir einer von ferne drohenden Gefahr gleich durch Aufopferungen vorzubeugen suchen, diese Gefahr oft durch einen unvorhergesehenen Stand, den die Dinge annehmen, verschwindet, und jetzt nicht nur die gebrachten Opfer verloren sind, sondern die durch sie herbeigeführte Veränderung nunmehr, beim veränderten Stande der Dinge, gerade ein Nachteil ist. Wir müssen daher in unseren Vorkehrungen nicht zu weit in die Zukunft greifen, sondern auch auf den Zufall rechnen. (P. I, 501.)