1) Worauf der Fatalismus beruht.
Die bei den Alten so fest stehende Ansicht vom Fatum, der
ειμαρμενη,
wie auch der Fatalismus der Mohammedaner, beruht auf der, wenn
auch nicht deutlich erkannten, doch gefühlten Überzeugung von der
strengen Notwendigkeit alles Geschehenden. (
E. 60.)
2) Beweisbare Grundwahrheit des Fatalismus.
Das Fatum, die
ειμαρμενη, der Alten ist eben nichts Anderes, als
die zum Bewusstsein gebrachte Gewissheit, dass alles Geschehende durch
die Kausalkette fest verbunden ist und daher streng notwendig eintritt,
demnach das Zukünftige schon vollkommen fest steht, sicher und genau
bestimmt ist und daran so wenig etwas geändert werden kann, wie am
Vergangenen. Bloß das Vorherwissen desselben kann an den fatalistischen
Mythen der Alten als fabelhaft angesehen werden, wenn wir hierbei
von der Möglichkeit des Hellsehens und des zweiten Gesichts abstrahieren.
Statt die Grundwahrheit des Fatalismus durch seichtes Geschwätz und
alberne Ausflüchte beseitigen zu wollen, sollte man suchen, sie recht
deutlich zu verstehen und zu erkennen, da sie eine demonstrable
Wahrheit ist, welche ein richtiges Datum zum Verständnis unseres so
rätselhaften Daseins liefert. (
P. II, 251 fg.)
3) Unterschied zwischen Prädestination und Fatalismus,
Vorsehung und Fatalismus.
Prädestination und Fatalismus sind nicht in der Hauptsache verschieden,
sondern nur darin, dass der gegebene Charakter und die von
außen kommende Bestimmung des menschlichen Thuns bei jener von
einem erkennenden, bei diesem von einem erkenntnislosen Wesen
ausgeht. Im Resultat treffen sie zusammen: es geschieht was geschehen
muss. (
P. II, 252.)
Was die Alten Schicksal (Fatum) nannten, ferner Das, was sie
unter dem leitenden Genius jedes Einzelnen verstanden, endlich Das,
was die Christen als Vorsehung (
προνοια) verehren — diese Drei
unterscheiden sich zwar dadurch, dass das Fatum blind, die beiden Andern
sehend gedacht werden; aber dieser anthropomorphistische Unterschied
fällt weg und verliert alle Bedeutung bei dem tiefinneren, metaphysischen
Wesen der Dinge, in welchem allein wir die Wurzel jener unerklärlichen
Einheit des Zufälligen mit dem Notwendigen zu suchen haben,
welche sich als der geheime Lenker aller menschlichen Dinge darstellt.
(
P. I, 225.)
4) Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem
höheren Fatalismus.
Die Überzeugung, dass, so sehr auch der Lauf der Dinge sich als
rein zufällig darstellt, er es doch im Grunde nicht ist, vielmehr alle
Zufälle von einer tief verborgenen Notwendigkeit umfasst werden, deren
bloßes Werkzeug der Zufall selbst ist, — diese Überzeugung, der zufolge
jene Notwendigkeit alles Geschehenden keine blinde ist, folglich auch
der Lebenslauf jedes Einzelnen einen eben so planmäßigen, wie notwendigen
Hergang hat, ist ein Fatalismus höherer Art, der sich
jedoch nicht, wie der einfache, demonstrieren lässt, auf welchen aber
dennoch vielleicht Jeder, früher oder später, einmal gerät. Man kann
denselben, zum Unterschied von dem gewöhnlichen und demonstrablen,
den transzendenten Fatalismus nennen. Er stammt nicht, wie
jener, aus einer eigentlichen theoretischen Erkenntnis, sondern er setzt
sich aus den Erfahrungen des eigenen Lebenslaufs allmählich ab, welcher,
so verworren und zufällig er auch scheinen mag, als ein in sich übereinstimmendes,
bestimmte Tendenz und belehrenden Sinn habendes
Ganzes, wie ein durchdachtes Epos, sich darstellt. Dieser transzendente
Fatalismus, zu welchem die aufmerksame Betrachtung des eigenen Lebens
vielleicht Jedem einmal Anlass gibt, hat nicht nur viel Trostreiches,
sondern vielleicht auch viel Wahres, daher er zu allen Zeiten sogar als
Dogma behauptet worden ist. (
P. I, 218 fg.)
5) Widerlegung einer falschen Folgerung aus dem
Fatalismus.
Man könnte aus der Theorie vom unabwendbaren Schicksal die
Folgerung des Türkenglaubens ziehen, dass man sich dem Lauf der Dinge
gegenüber passiv zu unterwerfen habe, weil es ja unnütz sei, dem
Unabänderlichen zu widerstreben. Diese Folgerung ist aber eine falsche.
Obwohl nämlich Alles als vom Schicksal unwiderruflich vorherbestimmt
angesehen werden kann, so ist es dies doch eben nur mittelst der Kette
der Ursachen. Daher in keinem Falle bestimmt sein kann, dass eine
Wirkung ohne ihre Ursache eintrete. Nicht die Begebenheit schlechthin
also ist vorherbestimmt, sondern dieselbe als Erfolg vorhergängiger Ursachen;
also ist nicht der Erfolg allein, sondern auch die Mittel, als
deren Erfolg er einzutreten bestimmt ist, vom Schicksal beschlossen.
Treten demnach die Mittel nicht ein, dann auch sicherlich nicht der
Erfolg; beides immer nach der Bestimmung des Schicksals, die wir
aber auch immer erst hinterher erfahren. (
W. I, 356.)