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Schopenhauers Kosmos

 

 Reflexion.

1) Was durch das Wort Reflexion bezeichnet wird.

Das Denken im engeren Sinn (s. Denken), also die Beschäftigung des Intellekts mit Begriffen, ist es, was durch das Wort Reflexion bezeichnet wird, welches, als ein optischer Tropus, zugleich das Abgeleitete und Sekundäre dieser Erkenntnisart ausdrückt. (G. 101.) Treffend und mit ahnungsvoller Richtigkeit hat man die im Menschen allein unter allen Bewohnern der Erde eingetretene, aus der Anschauung Begriffe abstrahierende Erkenntniskraft Reflexion genannt. Denn das neue Bewusstsein, welches damit aufgegangen, ist in der Tat ein Widerschein, ein Abgeleitetes von der anschaulichen Erkenntnis. (W. I, 43.)

2) Wirkungen der Reflexion.

Die Reflexion erteilt dem Menschen jene Besonnenheit, die dem Tiere abgeht. (G. 101 fg. Vergl. Besonnenheit.) Durch den abstrakten Reflex alles Intuitiven im nichtanschaulichen Begriff der Vernunft übertrifft der Mensch die Tiere gleich sehr an Macht und an Leiden. (W. I, 43 fg. Vergl. auch unter Begriff: Wichtigkeit des Begriffs, und unter Mensch: Unterschied zwischen Tier und Mensch.)
Durch die Reflexion wird im Menschen die Empfindung jedes Genuss, aber auch die jedes Schmerzes gesteigert. Dem Tiere fehlt mit der Reflexion der Kondensator der Freuden und Leiden, welche daher sich nicht anhäufen können, wie dies beim Menschen mittelst Erinnerung und Vorhersehung geschieht. Mittelst der Reflexion und Dessen, was an ihr hängt, entwickelt sich im Menschen aus den nämlichen Elementen des Genuss und Leidens, die das Tier mit ihm gemein hat, eine Steigerung der Empfindung seines Glücks und Unglücks, die bis zum augenblicklichen, bisweilen sogar tödlichen Entzücken, oder auch zum verzweifelten Selbstmord führen kann. (P. II, 315 fg.)

3) Verhältnis der Reflexion zur anschaulichen Erkenntnis.

Die anschauliche Erkenntnis erleidet bei ihrer Aufnahme in die Reflexion beinahe so viel Veränderung, wie die Nahrungsmittel bei ihrer Aufnahme in den tierischen Organismus, dessen Formen und Mischungen durch ihn selbst bestimmt werden und aus deren Zusammensetzung gar nicht mehr die Beschaffenheit der Nahrungsmittel zu erkennen ist; — oder (weil dieses ein wenig zu viel gesagt ist) die Reflexion verhält sich zur anschaulichen Erkenntnis keineswegs, wie der Spiegel im Wasser zu den abgespiegelten Gegenständen, sondern kaum nur noch so, wie der Schatten dieser Gegenstände zu ihnen selbst, welcher Schatten nur einige äußere Umrisse wiedergibt, aber auch das Mannigfaltigste in dieselbe Gestalt vereinigt und das Verschiedenste durch den nämlichen Umriss darstellt; so dass keineswegs von ihm ausgehend sich die Gestalten der Dinge vollständig und sicher konstruieren ließen. (W. I, 538 fg.)