1) Gesetz der Motivation.
(S. unter
Grund: Satz vom
Grunde des Handelns.)
2) Was durch die Motive bestimmt wird.
Die Motive bestimmen nie mehr, als das, was ich zu dieser Zeit,
an diesem Ort, unter diesen Umständen will; nicht aber dass ich
überhaupt will, noch was ich überhaupt will, d. h. die Maxime,
welche mein gesamtes Wollen charakterisiert. Daher ist mein Wollen
nicht seinem ganzen Wesen nach aus den Motiven zu erklären; sondern
diese bestimmen bloß seine Äußerung im gegebenen Zeitpunkt,
sind bloß der Anlass, bei dem sich mein Wille zeigt, dieser selbst hingegen
liegt außerhalb des Gebietes des Gesetzes der Motivation.
Lediglich unter Voraussetzung meines empirischen Charakters ist das
Motiv hinreichender Erklärungsgrund meines Handelns; abstrahiere ich
aber von meinem Charakter und frage, warum ich überhaupt dieses
und nicht jenes will; so ist keine Antwort darauf möglich, weil eben
nur die Erscheinung des Willens dem Satze vom Grunde unterworfen ist,
nicht aber er selbst, der insofern grundlos zu nennen ist.
(
W. I, 127. 194.) Wie jede Äußerung einer Naturkraft eine Ursache
hat, die Naturkraft selbst aber keine; so hat jeder einzelne Willensakt
ein Motiv, der Wille überhaupt aber keines; ja, im Grunde ist dies
Beides Eins und das Selbe. (
W. II, 407 fg.)
Die Motive bestimmen eigentlich die ganze individuelle Beschaffenheit
der Handlungen, während ihr Allgemeines und Wesentliches, nämlich
ihr moralischer Grundcharakter, vom Subjekt ausgeht. (
E. 92.)
3) Was dem Motiv die Kraft zu wirken erteilt.
Das Motiv wirkt nur unter der Voraussetzung, dass es überhaupt
ein Bestimmungsgrund des zu erregenden Willens sei, so wie auch die
physikalischen und chemischen Ursachen, desgleichen die Reize ebenfalls
nur wirken, sofern der zu affizierende Körper für sie empfänglich ist.
Der Wille ist Das, was eigentlich dem Motiv die Kraft zu wirken
erteilt, die geheime Sprungfeder der durch dasselbe hervorgerufenen
Bewegung. (
E. 33.) Das Motiv wirkt nur unter Voraussetzung
eines inneren Triebes, d. h. einer bestimmten Beschaffenheit des Willens,
welche man den Charakter desselben nennt; diesem gibt das
jedesmalige Motiv nur eine entschiedene Richtung, — individualisiert
ihn für den konkreten Fall. (
W. II, 391.)
4) Intellektuelle Bedingung der Wirksamkeit der Motive.
Zur Wirksamkeit der Motive ist nicht bloß ihr Vorhandensein, sondern
auch ihr Erkanntwerden erfordert; denn, nach einem sehr guten
Ausdruck der Scholastiker,
causa finalis movet non secundum suum
esse reale, sed secundum esse cognitum. Damit z. B. das Verhältnis,
welches in einem gegebenen Menschen Egoismus und Mitleid
zu einander haben, hervortrete, ist es nicht hinreichend, dass derselbe
etwa Reichtum besitze und fremdes Elend sehe; sondern er muss auch
wissen, was sich mit dem Reichtum machen lässt, sowohl für sich, als
für Andere; und nicht nur muss fremdes Leiden sich ihm darstellen,
sondern er muss auch wissen, was Leiden, aber auch, was Genuss sei.
Vielleicht weiß er bei einem ersten Anlass dieses Alles nicht so gut,
wie bei einem zweiten; und wenn er nun bei gleichem Anlass verschieden
handelt, so liegt dies nur daran, dass die Umstände eigentlich andere
waren, nämlich dem Teil nach, der von seinem Erkennen derselben
abhängt, wenn sie gleich dieselben zu sein scheinen. — Wie das Nichtkennen
wirklich vorhandener Umstände ihnen die Wirksamkeit nimmt,
so können andererseits ganz imaginäre Umstände wie reale wirken, nicht
nur bei einer einzelnen Täuschung, sondern auch im Ganzen und auf
die Dauer. (
W. I, 348 fg.)
5) Analogie der Wirkung der Motive mit der Wirkung der Zentripetalkraft.
Man kann das Handeln des Menschen als das notwendige Produkt
des Charakters und der Motive sich veranschaulichen an dem Lauf
eines Planeten, als welcher das Resultat der diesem beigegebenen
Tangential- und der von seiner Sonne aus wirkenden Zentripetalkraft
ist, wobei die erstere Kraft den Charakter, die letztere den Einfluss der
Motive darstellt. Das ist fast mehr als ein bloßes Gleichnis, sofern
nämlich die Tangentialkraft, von welcher eigentlich die Bewegung ausgeht,
während sie von der Gravitation beschränkt wird, metaphysisch
genommen, der in einem solchen Körper sich darstellende Wille ist.
(
P. II, 247.)
6) Einfluss der Nähe des Motivs auf die Stärke seiner Wirkung.
Den überlegtesten Entschluss kann ein unbedeutendes, aber unmittelbar
gegenwärtiges Gegenmotiv in momentanes Wanken versetzen. Denn der
relative Einfluss der Motive steht unter einem Gesetz, welches dem, nach
welchem die Gewichte auf den Waagebalken wirken, gerade entgegengesetzt
ist, und in Folge dessen ein sehr kleines, aber sehr nahe liegendes Motiv
ein an sich viel stärkeres, jedoch aus der Ferne wirkendes überwiegen
kann. (
W. II, 164. — Vergl.
Affekt.)
7) Das stärker wirkende Motiv als ein Zeichen des Charakters.
Wenn zwei entgegengesetzte, und beide sehr starke Motive, A und B,
auf einen Menschen wirken, mir nun aber sehr daran liegt, dass er A
wähle, noch mehr aber daran, dass er seiner Wahl nicht wieder ungetreu
werde; so muss ich nicht etwa den vollen Eindruck des Motivs B
auf ihn verhindern und ihm nur immer A vorhalten; vielmehr muss
ich ein Mal beide Motive ihm höchst lebhaft und deutlich vorhalten,
so dass sie mit ihrer ganzen Stärke auf ihn wirken. Was er nun
erwählt, ist die Entscheidung seines innersten Wesens und steht daher
fest. Ich habe nun seinen Willen erkannt und kann auf dessen Wirken
so fest bauen, wie auf das einer Naturkraft. So gewiss das Feuer
zündet und das Wasser nässt, so gewiss handelt er nach dem Motive,
das sich als das stärkere für ihn erwiesen. (
H. 394.)
8) Notwendige Beziehung jedes Motivs auf Wohl und Wehe.
Da Das, was den Willen bewegt, allein Wohl und Wehe überhaupt
und im weitesten Sinne des Wortes ist; so muss jedes Motiv
eine Beziehung auf Wohl und Wehe haben. (
E. 205.)
9) Einfluss der Motive auf den Intellekt.
Ein stark wirkendes Motiv, wie der sehnsüchtige Wunsch, die dringende
Not, steigert bisweilen den Intellekt zu einem Grade, dessen
wir ihn vorher nie fähig geglaubt hatten. Schwierige Umstände, welche
uns die Notwendigkeit gewisser Leistungen auflegen, entwickeln ganz
neue Talente in uns, deren Keime uns verborgen geblieben waren.
(
W. II, 248 fg.)
10) Gegensatz zwischen Motivation und Instinkt.
(S.
Instinkt.)
11) Einfluss der Motive auf die Moralität.
Durch Motive lässt sich Legalität erzwingen, nicht Moralität;
man kann das Handeln umgestalten, nicht aber das eigentliche Wollen,
welchem allein moralischer Wert zusteht. (
E. 255.)