Inder.
1) Indische Religion und Götterlehre.
Über die indische Religion im Allgemeinen siehe die Artikel: Brahmanismus, Buddhismus und Christentum.
Die so phantastische, ja mitunter barocke indische Götterlehre, wie
sie noch heute, so gut wie vor Jahrtausenden, die Religion des Volkes
ausmacht, ist, wenn man den Sachen auf den Grund geht, doch nur
die verbildlichte, d. h. mit Rücksicht auf die Fassungskraft des Volkes
in Bilder eingekleidete und so personifizierte und mythisierte Lehre der
Upanischaden, welche nun aus ihr jeder Hindu, nach Maßgabe seiner
Kräfte und Bildung herausspürt, oder fühlt, oder ahndet, oder sie
durchschauend klar dahinter erblickt. Hingegen war die Absicht des
Buddha Schakya Muni, den Kern aus der Schale abzulösen, die hohe
Lehre selbst von allem Bilder- und Götterwesen zu befreien und ihren
reinen Gehalt sogar dem Volke zugänglich und fasslich zu machen.
Dies ist ihm wundervoll gelungen, und daher ist seine Religion die
vortrefflichste und durch die größte Anzahl von Gläubigen vertretene
auf Erden. (P. II, 241.)
2) Die indische Mystik, verglichen mit der mohammedanischen und der christlichen.
In der Mystik der Hindu tritt viel stärker, als in der der Sufi, das Aufgeben alles Wollens, als wodurch allein die Befreiung von der individuellen Existenz und ihren Leiden möglich ist, hervor, und in der christlichen Mystik ist diese Seite ganz vorherrschend, so dass jenes pantheistische Bewusstsein, welches aller Mystik wesentlich ist, hier erst sekundär, in Folge des Aufgebens alles Wollens, als Vereinigung mit Gott eintritt. Dieser Verschiedenheit der Auffassung entsprechend hat die mohammedanische Mystik einen sehr heiteren Charakter, die christliche einen düsteren und schmerzlichen, die der Hindu, über beiden stehend, hält auch in dieser Hinsicht die Mitte. (W. II, 701 fg.)3) Die indische Skulptur verglichen mit der griechischen.
Die griechische Skulptur wendet sich an die Anschauung, darum ist sie ästhetisch; die hindustanische wendet sich an den Begriff, daher ist sie bloß symbolisch. (W. I, 282.)4) Die indische Philosophie und Weisheit.
Die Verwandtschaft der indischen Philosophie und Weisheit mit der Schopenhauerschen Lehre geht aus Mehrerem hervor; sie zeigt sich besonders in der Lehre vom unbewussten Wollen (Asu), in der Unsterblichkeitslehre, indem sie ganz konsequent zur Fortdauer nach dem Tode ein Dasein vor der Geburt annimmt, dessen Verschuldung abzubüßen dieses Leben da ist, und in der metaphysischen Auslegung des ethischen Urphänomens, des Mitleidens mit allem Lebenden. (N. 30 fg. W. II, 556 fg. E. 274. P. I, 137; II, 237.)
Die Sankya-Philosophie ist interessant und belehrend, sofern sie die
Hauptdogmen aller indischen Philosophie, wie die Notwendigkeit der
Erlösung aus einem traurigen Dasein, die Transmigration nach Maßgabe
der Handlungen, die Erkenntnis als Grundbedingung zur Erlösung
u. dgl. m. uns in der Ausführlichkeit und mit dem hohen Ernst vorführt,
womit sie in Indien, seit Jahrtausenden, betrachtet werden.
Inzwischen sehen wir diese ganze Philosophie verdorben durch einen
falschen Grundgedanken. (P. II, 429 fg.)
5) Das indische Kastenwesen.
Der Brahmanismus steht durch sein Kastenwesen hinter dem Buddhismus, welcher keine Kasten gelten lässt, zurück. (W. I, 421.)
Dass die drei oberen Kasten die wiedergeborenen heißen, mag
immerhin, wie gewöhnlich, daraus erklärt werden, dass die Investitur
mit der heiligen Schnur, welche den Jünglingen derselben die Mündigkeit
verleiht, gleichsam eine zweite Geburt sei; der wahre Grund aber
ist, dass man nur in Folge bedeutender Verdienste, in einem vorhergegangenen
Leben, zur Geburt in jenen Kasten gelangt, folglich in
solchem schon als Mensch existiert haben muss; während wer in der
untersten Kaste, oder gar noch niedriger, geboren wird, vorher auch
Tier gewesen sein kann. (P. II, 430 fg.)
(Über die Verwandtschaft der alten Ägypter mit den Indern
siehe: Ägypter.)