Gott. Gottesglaube. Gottesbewusstsein.
1) Ursprung des Wortes Gott
.
Aus Ormuzd ist Jehova (so wie aus Ahriman Satan) geworden.
Ormuzd selbst aber stammt aus dem Brahmanismus; er ist nämlich
kein anderer, als Indra, jener untergeordnete, oft mit Menschen
rivalisierende Gott des Firmaments und der Atmosphäre. Dieser
Indra-Ormuzd-Jehova musste nachmals in das Christentum, da es
in Judäa entstand, übergehen, dessen kosmopolitischem Charakter zufolge
er jedoch seine Eigennamen ablegte, um in der Landessprache jeder
bekehrten Nation durch das Appellativum der durch ihn verdrängten
übermenschlichen Individuen bezeichnet zu werden, als δεος, Deus,
welches vom Sanskrit Deva kommt (wovon auch devil, Teufel), oder
bei den Gotisch-Germanischen Völkern durch das von Odin oder
Wodan, Guodan, Godan stammende Wort God, Gott. Eben so
nahm er, in dem gleichfalls aus dem Judentum stammenden Islam
den in Arabien auch schon früher vorhandenen Namen Allah an.
(W. II, 714 fg.)
2) Eigentlicher und richtiger Sinn des Wortes Gott
.
In seinem eigentlichen und richtigen Sinn gebraucht das Wort
Gott die Synagoge, die Kirche und der Islam. (P. II, 108.)
Das Wort Gott, ehrlicherweise gebraucht, bezeichnet eine von der Welt
verschiedene und getrennte Weltursache, mit Hinzufügung der Persönlichkeit.
Ein unpersönlicher Gott hingegen ist eine contradictio
in adjecto. (G. 13.) Die Annahme irgend einer von der Welt
verschiedenen Ursache derselben ist allein noch kein Theismus. Dieser
verlangt nicht nur eine von der Welt verschiedene, sondern eine intelligente,
d. h. erkennende und wollende, also persönliche, mithin auch
individuelle Weltursache; eine solche ist es ganz allein, die das Wort
Gott bezeichnet. Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern
bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto.
(P. I, 125.) Personalität und Kausalität sind zwei
unzertrennliche Qualitäten Gottes. (H. 435. 437.)
3) Anthropomorphismus des Gottesglaubens.
Persönlichkeit, d. h. die selbstbewusste Individualität, welche erst erkennt und dann dem Erkannten gemäß will, ist ein Phänomen, welches uns ganz allein aus der, auf unserm kleinen Planeten vorhandenen, animalischen Natur bekannt und mit dieser so innig verknüpft ist, dass es von ihr getrennt und unabhängig zu denken wir nicht nur nicht befugt, sondern auch nicht ein Mal fähig sind. Ein Wesen solcher Art nun aber als den Ursprung der Natur selbst, ja, alles Daseins überhaupt anzunehmen, ist ein kolossaler und überaus kühner Gedanke, über den wir erstaunen würden, wenn wir ihn zum ersten Mal vernähmen und er nicht durch die frühzeitigste Einprägung und beständige Wiederholung uns geläufig, ja zur fixen Idee geworden wäre. (P. I, 125.) Der Anthropomorphismus ist eine dem Theismus durchaus wesentliche Eigenschaft, und zwar besteht derselbe nicht etwa bloß in der menschlichen Gestalt, selbst nicht allein in den menschlichen Affekten und Leidenschaften; sondern in dem Grundphänomen selbst, nämlich in dem eines, zu seiner Leitung mit einem Intellekt ausgerüsteten Willens, welches Phänomen uns bloß aus der animalischen Natur, am vollkommensten aus der menschlichen, bekannt ist und sich allein als Individualität, die, wenn sie eine vernünftige ist, Persönlichkeit heißt, denken lässt. Dies bestätigt auch der Ausdruckso wahr Gott lebt; er ist ein Lebendes, d. h. mit Erkenntnis Wollendes. Sogar gehört eben deshalb zu einem Gott auch ein Himmel, darin er thront und regiert. (P. I, 126 fg.)
Die Versuche, den Theismus vom Anthropomorphismus zu reinigen,
greifen, indem sie nur an der Schale zu arbeiten wähnen, geradezu
sein innerstes Wesen an; durch ihr Bemühen, seinen Gegenstand abstrakt
zu fassen, sublimieren sie ihn zu einer undeutlichen Nebelgestalt. Dem
Gott, der ursprünglich Jehova war, haben Philosophen und Theologen
eine Hülle nach der anderen ausgezogen, bis am Ende Nichts, als das
Wort übrig geblieben ist. (P. I, 127. H. 435. 441.)
4) Egoistischer Ursprung des Gottesglaubens.
Der Gottesglaube (Theismus) wurzelt im Egoismus. Er ist kein Erzeugnis der Erkenntnis, sondern des Willens. Wenn er ursprünglich theoretisch wäre, wie könnten denn alle seine Beweise so unhaltbar sein? Die Not, das beständige Fürchten und Hoffen, bringt den Menschen dahin, dass er die Hypostase persönlicher Wesen macht, zu denen er beten könne. Sind Anfangs der Götter mehrere, so werden sie später durch das Bedürfnis, Konsequenz, Ordnung und Einheit in die Erkenntnis zu bringen, Einem unterworfen, oder gar auf Einen reduziert. Das Wesentliche jedoch ist der Drang des geängstigten Menschen, sich niederzuwerfen und Hilfe anzuflehen. Damit also sein Herz (Wille) die Erleichterung des Betens und den Trost des Hoffens habe, muss sein Intellekt ihm einen Gott schaffen; nicht aber umgekehrt, weil sein Intellekt auf einen Gott logisch richtig geschlossen hat, betet er. (P. I, 127—131. W. I, 607.) Dass Menschen in ihrer Herzensnot sich überall Wesen erdacht haben, welche die Naturkräfte und ihren Lauf beherrschen, um solche anrufen zu können, ist sehr natürlich. (P. I, 117, Anmerk.)
Wie der Polytheismus die Personifikation einzelner Teile und
Kräfte der Natur ist; so ist der Monotheismus die der ganzen Natur, —
mit einem Schlage. (P. II, 404.)
5) Widerlegung der Behauptung, dass es ein angeborenes
Gottesbewusstsein
gebe.
Es ist eine Erfindung moderner Philosophieprofessoren, das Dasein
Gottes sei zwar keines Beweises fähig, bedürfe aber auch desselben
nicht; denn es verstände sich von selbst, wäre unbezweifelbar, wir hätten
ein unmittelbares Gottesbewusstsein, dessen Organ die Vernunft sei, — eine Behauptung, die durch den wahren Begriff der Vernunft widerlegt wird. (Vergl. Vernunft) Wie es sich mit der Genesis des Gottesbewusstseins eigentlich verhält, kann eine bildliche Darstellung, ein Kupferstich lehren, der uns eine Mutter zeigt, die ihr dreijähriges, mit gefalteten Händen auf dem Bette kniendes Kind zum Beten abrichtet; gewiss ein häufiger Vorgang, der eben die Genesis des Gottesbewusstseins ausmacht; denn es ist nicht zu bezweifeln, dass, nachdem im zartesten Alter das im ersten Wachstum begriffene Gehirn so zugerichtet worden, ihm das Gottesbewusstsein so fest eingewachsen ist, als wäre es wirklich angeboren. (P. I, 122. G. 112 fg. E. 150 fg. W. I, 617 fg.)
In der Philosophie zu lehren, der theologische Grundgedanke (das
Dasein des persönlichen Gottes) verstünde sich von selbst und die Vernunft
wäre eben nur die Fähigkeit, denselben unmittelbar zu fassen
und als wahr zu erkennen, ist ein unverschämtes Vorgehen. Nicht nur
darf in der Philosophie ein solcher Gedanke nicht ohne den vollgültigsten
Beweis angenommen werden, sondern sogar der Religion ist er
durchaus nicht wesentlich, wie der atheistische Buddhismus bezeugt.
(P. I, 125 fg. 200.)
6) Die Beweise für das Dasein Gottes.
a) Ursprung der Beweise.
Da die Wirklichkeit des Daseins Gottes nicht durch empirische Überführung gezeigt werden kann; so wäre der nächste Schritt eigentlich gewesen, die Möglichkeit desselben auszumachen. Statt dessen unternahm man, sogar die Notwendigkeit desselben zu beweisen, also Gott als notwendiges Wesen darzutun. Nun ist Notwendigkeit überall nichts Anderes, als Abhängigkeit einer Folge von ihrem Grunde, also das Eintreten oder Setzen der Folge, weil der Grund gegeben ist. (Vergl. Notwendigkeit.) Unter den vier Arten von Gründen aber (vergl. Grund) fand man hierzu nur den Grund des Werdens (Ursache) und den Grund des Erkennens (Begriff) brauchbar. Demgemäß entstanden zwei Beweise des Daseins Gottes, der kosmologische und der ontologische, der eine nach dem Satz vom Grund des Werdens (Ursache), der andere nach dem vom Grund des Erkennens (Begriff). Der erste will nach dem Gesetze der Kausalität die Notwendigkeit des Daseins Gottes als eine physische dartun, indem er die Welt als eine Wirkung auffasst, die eine Ursache haben müsse. Diesem kosmologischen Beweise wird sodann als Beistand und Unterstützung der physikotheologische beigegeben, welcher die Zweckmäßigkeit der Welt als eine Wirkung auffasst, die einen erkennenden und wollenden Welturheber zur Ursache haben müsse.
Der zweite Beweis des Daseins Gottes, der ontologische,
nimmt nicht das Gesetz der Kausalität, sondern den Satz vom Grunde
des Erkennens zum Leitfaden, sucht also die Notwendigkeit des Daseins
Gottes als eine logische darzutun. Nämlich durch bloß
analytisches Urteilen aus dem Begriff Gott soll sich hier sein
Dasein ergeben, so dass man dem Subjekt Gott das Prädikat Dasein
nicht absprechen könne, ohne einen Widerspruch zu begehen. Dies
sucht man mittelst des Begriffs
Vollkommenheitoder auch
Realitätals terminus medius zu erreichen. (P. I, 115 ff.)
b) Kritik der Beweise.
1. Der kosmologische Beweis, welcher am stärksten in der Wolfischen Fassung so ausgedrückt wird:wenn irgend etwas existiert, so existiert auch ein schlechthin notwendiges Wesen, — gibt zunächst die Blöße, ein Schluss von der Folge auf den Grund zu sein, welcher Schlussweise schon die Logik alle Ansprüche auf Gewissheit abspricht. Sodann ignoriert er, dass wir etwas als notwendig nur denken können, insofern es Folge, nicht insofern es Grund eines gegebenen Anderen ist. Ferner führt das Kausalitätsgesetz auf einen regressus in infinitum, kann daher nie bei einem Letzten, das einen fundamentalen Erklärungsgrund abgäbe, anlangen. Auch erstreckt sich die Kraft und Gültigkeit des Gesetzes der Kausalität allein auf die Form der Dinge, nicht auf die Materie. Es ist Leitfaden des Wechsels der Formen, weiter nichts; die Materie bleibt von allem Entstehen und Vergehen derselben unberührt. Endlich unterliegt der kosmologische Beweis dem transzendentalen Argument, dass das Gesetz der Kausalität nachweisbar subjektiven Ursprungs, daher bloß auf Erscheinungen für unsern Intellekt, nicht auf das Wesen der Dinge an sich selbst anwendbar ist. (P. I, 116. G. 37—41.)
Der subsidiarisch dem kosmologischen Beweis beigegebene physikotheologische
kann immer nur unter Voraussetzung des ersteren, dessen
Erläuterung und Amplifikation er ist, auftreten, fällt also mit jenem.
Auch kann das Verfahren, mittelst dessen er die vorausgesetzte erste
Ursache der Welt zu einem erkennenden und wollenden Wesen steigert,
nämlich die Induktion aus den vielen Folgen, die sich durch einen
solchen Grund erklären ließen, höchstens Wahrscheinlichkeit, nie
Gewissheit geben. Endlich ergibt sich die ganze Physikotheologie als
die Ausführung einer falschen Grundansicht der Natur, indem sie die
unmittelbare Erscheinung, oder Objektivation des Willens zu einer
bloß mittelbaren herabsetzt, also statt in den Naturwesen das ursprüngliche,
urkräftige, erkenntnislose und eben deshalb unfehlbar sichere
Wirken des Willens zu erkennen, es auslegt als ein bloß sekundäres,
erst am Lichte der Erkenntnis und am Leitfaden der Motive vor sich
gegangenes, und sonach das von Innen aus Getriebene auffasst als von
außen gezimmert, gemodelt und geschnitzt. (P. I, 117 fg. N. 55—57.
W. I, 609.)
2. Der ontologische Beweis ist zwar logisch richtig; denn nachdem
man mittelst der Handhabe des Begriffes
Vollkommenheitoder auch
Realität, den man als medius terminus gebraucht, das Prädikat des Daseins in das Subjekt hineingelegt hat, kann man es freilich aus demselben durch ein analytisches Urteil wieder herausziehen. Aber die Berechtigung zur Aufstellung des ganzen Begriffs ist damit keineswegs nachgewiesen. Der kosmologische Beweis hat doch wenigstens den Vorzug, dass er Rechenschaft gibt, wie er zum Begriff eines Gottes gekommen ist. Der ontologische hingegen kann gar nicht nachweisen, wie er zu seinem Begriff vom allerrealsten Wesen gekommen sei, gibt ihn also entweder für ungeboren aus, oder borgt ihn vom kosmologischen Beweis. Wenn wirklich die Existenz irgend eines Wesens aus seiner Essenz, seinem Begriff oder seiner Definition sich folgern ließe, dann freilich würde es als ein notwendiges sich ergeben, ohne dabei an etwas Anderes, als an seinen eigenen Begriff gebunden zu sein. Der Erkenntnisgrund würde sich in einen Realgrund verwandelt haben, und der ontologische Beweis würde dadurch dem regressus in infinitum, an welchem der kosmologische scheiterte, entgehen. Aber aus der Essenz lässt sich die Existenz eben nicht ableiten. Diese Ableitung ist illusorisch, ist ein Taschenspielerstreich. (P. I, 118—120. G. 10 fg. W. I, 606.)
(Über den moralischen Beweis, oder die aus der Moral abgeleitete
Theologie, siehe Moraltheologie.)
c) Gegenbeweise gegen das Dasein Gottes.
Kant hat zwar behauptet, dass, wenngleich das Dasein Gottes unbeweisbar ist, doch auch das Gegenteil sich nicht beweisen lasse. Aber es lassen sich allerdings Gegenbeweise aufstellen.
1. Die traurige Beschaffenheit der Welt lässt sich nicht damit
vereinigen, dass sie das Werk vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht
sei.
2. Der Theismus ist mit der Moral und mit unserer Fortdauer
nach dem Tode unvereinbar.
a) Mit der Moral ist er in zweierlei Hinsicht im Widerstreit,
nämlich erstens in Hinsicht auf die Voraussetzung und zweitens in
Hinsicht auf die Folgen der moralischen Schuld und des moralischen
Verdienstes. Die Voraussetzung der moralischen Verantwortlichkeit
ist Freiheit, Aseität (vergl. Freiheit und Aseität), diese aber hebt
der Theismus auf; denn an einem Wesen, welches seiner existentia
und essentia nach das Werk eines Anderen ist, lässt sich weder Schuld,
noch Verdienst denken. Was zweitens die Folgen unseres Handelns
betrifft, so tritt der Gott, der Anfangs Schöpfer war, zuletzt als
Rächer und Vergelter auf. Dies gibt zwar der Moral eine Stütze,
aber eine von der rohesten Art, indem die Rücksicht auf Lohn und
Strafe die reine Moralität aufhebt.
b) Mit der Fortdauer nach dem Tode ist der Theismus ebenso
unvereinbar, als mit der Willensfreiheit. Denn das von einem
Anderen aus Nichts Geschaffene hat einen Anfang seines Daseins
gehabt, lässt sich also nicht als ewig denken. Unendliche Dauer
a parte post und Nichts a parte ante stimmt nicht zusammen.
Nur was selbst ursprünglich, ewig, ungeschaffen ist, kann unzerstörbar
sein. Aseität ist, wie die Bedingung der Zurechnungsfähigkeit, so
auch die der Unsterblichkeit. (P. I, 132—137.)
Gott, Freiheit und Unsterblichkeit werden meistens als Hauptzwecke
der Metaphysik angegeben; ersterer würde aber die beiden
letzteren unmöglich machen. (H. 343.) Wenn unsere Theologen und
Religionsphilosophen beständig Gott und Unsterblichkeit zusammen
aussprechen als zwei zusammengehörige Gedanken und zwei Dinge, die
sich trefflich mit einander vertrügen; so ist Solches bloß früherer Gewohnheit
und dem Mangel an Nachdenken zuzuschreiben; denn mit
jenem rohen, krassen, abscheulichen Juden-Dogma (des Gott-Schöpfers)
kann so wenig Unsterblichkeit als Freiheit des Willens bestehen. (H. 439.)