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Schopenhauers Kosmos

 

 Weisheit. Weise.

1) Begriffsbestimmung der Weisheit.

Weisheit ist nicht bloß theoretische, sondern auch praktische Vollkommenheit. Sie ist die vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge im Ganzen und Allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, dass sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet. (P. II, 637.) Die Weisheit, welche in einem Menschen bloß theoretisch da ist, ohne praktisch zu werden, gleicht der gefüllten Rose, welche durch Farbe und Geruch Andere ergötzt, aber abfällt, ohne Frucht angesetzt zu haben. (P. II, 685.)
Die Weisheit wurzelt, wie das Genie, nicht im abstrakten, diskursiven, sondern im anschauenden Vermögen. Sie ist etwas Intuitives, nicht etwa Abstraktes. Sie besteht nicht in Sätzen und Gedanken, die Einer als Resultate der Forschung im Kopfe fertig herumträgt, sondern sie ist die ganze Art, wie sich die Welt in seinem Kopfe darstellt. Diese ist so höchst verschieden, dass dadurch der Weise in einer anderen Welt lebt, als der Thor. (W. II, 80. 83.)

2) Übereinstimmung der Weisen aller Zeiten.

Im Allgemeinen haben die Weisen aller Zeiten immer das Selbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer das Selbe, nämlich das Gegenteil, getan, und so wird es denn auch ferner bleiben. (P. I, 332.)

3) Die Weisheit als Kardinaltugend.

(S. Kardinaltugenden.)

4) Der Stoische Weise.

(S. Stoizismus.)

5) Die Weisheit des Alters.

Im Alter ist man die Chimären, Illusionen und Vorurteile der Jugend losgeworden, so dass man jetzt Alles richtiger und klarer erkennt. Dies ist es, was fast jedem Alten einen gewissen Anstrich von Weisheit gibt, der ihn vor den Jüngeren auszeichnet. (P. I, 525. Vergl. unter Lebensalter: Gegensatz zwischen Jugend und Alter.)

6) Zusammentreffen der praktischen mit der theoretischen Weisheit im Resultat.

Die praktische Weisheit, das Rechttun und Wohltun, trifft im Resultat genau zusammen mit der tiefsten Lehre der am weitesten gelangten theoretischen Weisheit, der Lehre nämlich, dass Vielheit und Geschiedenheit allein der bloßen Erscheinung angehört, und dass Ein und das selbe Wesen ist, welches in allem Lebenden sich darstellt. (E. 270.)