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Schopenhauers Kosmos

 

 Unrecht.

1) Begriff des Unrechts im Gegensatze zu dem Begriff des Rechts.

(S. unter Recht: Negativität des Begriffs des Rechts.)

2) Besondere Rubriken des Unrechts.

Das Unrecht drückt sich in konkreto am vollendetsten und handgreiflichsten aus im Kannibalismus. Nächst diesem im Morde. Als dem Wesen nach mit dem Morde gleichartig und nur im Grade von ihm verschieden ist die absichtliche Verstümmelung, oder bloße Verletzung des fremden Leibes anzusehen, ja jeder Schlag. — Ferner stellt das Unrecht sich dar in der Unterjochung des andern Individuums, im Zwang desselben zur Sklaverei; endlich im Angriff des fremden Eigentums, welcher, sofern dieses als Frucht seiner Arbeit betrachtet wird, mit jener im Wesentlichen gleichartig ist und sich zu ihr verhält, wie die bloße Verletzung zum Mord. (W. I, 395 fg. H. 377.)
Unter eine dieser fünf Rubriken wird sich wohl jedes Unrecht bringen lassen; doch kann es oft gemischter Art sein und unter mehrere Rubriken zugleich gehören. Die zuletzt genannte Rubrik, Angriff des Eigentums, begreift die mannigfaltigsten Fälle: Betrug, Vertragsbruch u. s. w.
Als eine besondere, sechste Rubrik des Unrechts könnte man die Verletzung der aus den Sexualverhältnissen hervorgehenden Verbindlichkeiten ansehen. (H. 377. Vergl. Geschlechtsverhältnis.)

3) Arten der Ausübung des Unrechts.

Die Ausübung des Unrechts geschieht entweder durch Gewalt, oder durch List. (W. I, 398. Vergl. Gewalt und List.)

4) Grade des Unrechts.

Bei jeder ungerechten Handlung ist das Unrecht der Qualität nach das selbe, nämlich Verletzung eines Andern, es sei an seiner Person, seiner Freiheit, seinem Eigentum, seiner Ehre. Aber der Quantität nach kann es sehr verschieden sein. Diese Verschiedenheit der Größe des Unrechts scheint von den Moralisten noch nicht gehörig untersucht zu sein, wird jedoch im wirklichen Leben überall anerkannt, indem die Größe des Tadels, den man darüber ergehen lässt, ihr entspricht. Wer z. B. dem Hungertode nahe ein Brot stiehlt, begeht ein Unrecht; aber wie klein ist seine Ungerechtigkeit gegen die eines Reichen, der auf irgend eine Weise einen Armen um sein Eigentum bringt. (E. 219 fg. — Über den Maßstab für die Größe des Unrechts s. unter Gerechtigkeit: Grade der Gerechtigkeit.)

5) Die Schutzanstalt gegen das Unrecht, der Staat.

(S. Staat und Staatskunst.)