1) Wodurch das Publikum in der echten Bildung zurückbleibt.
Das Publikum wendet seine Teilnahme sehr viel mehr dem Stoff
der Bücher zu, als der Form, und bleibt eben dadurch in seiner
höheren Bildung zurück. Am lächerlichsten legt es diesen Hang bei
Dichterwerken an den Tag, indem es sorgfältig den realen Begebenheiten,
oder den persönlichen Umständen des Dichters, welche ihnen zum
Anlass gedient haben, nachspürt; ja, diese werden ihm zuletzt interessanter,
als die Werke selbst, und es liest mehr über, als von
Göthe,
und studiert fleißiger die Faustsage, als den Faust. (
P. II, 541.)
Das Publikum ist so einfältig, lieber das Neue, als das Gute zu
lesen; (
P. II, 545.) Die Literaten, Brotschreiber und Vielschreiber
haben es dahin gebracht, die gesamte elegante Welt am Leitseile
zu führen, in der Art, dass sie abgerichtet werden,
a tempo zu lesen,
nämlich Alle stets das Selbe, nämlich das Neueste, um in ihren
Zirkeln einen Stoff zur Konversation daran zu haben. Was aber
kann elender sein, als das Schicksal eines solchen belletristischen Publikums,
welches sich verpflichtet hält, allezeit das neueste Geschreibe
höchst gewöhnlicher Köpfe zu lesen und dafür die Werke der selteneren
und überlegenen Geister aller Zeiten und Länder bloß dem Namen
nach zu kennen! — Besonders ist die belletristische Tagespresse ein
schlau ersonnenes Mittel, dem ästhetischen Publico die Zeit, die es den
echten Produktionen der Art, zum Heil seiner Bildung, zuwenden sollte,
zu rauben, damit sie den täglichen Stümpereien der Alltagsköpfe zufalle.
(
P. II, 590. 598.)
2) Wodurch die echte Bildung des Publikums gefördert werden könnte.
Das Publikum könnte durch nichts so sehr gefördert werden, als
durch die Erkenntnis der Intellektuellen Aristokratie der Natur.
Es würde dann nicht mehr die ihm zu seiner Bildung kärglich zugemessene
Zeit vergeuden an den Produktionen gewöhnlicher Köpfe; es
würde nicht mehr, im kindischen Wahn, dass Bücher, gleich Eiern,
frisch genossen werden müssen, stets nach dem Neuesten greifen; sondern
würde sich an die Leistungen der wenigen Auserlesenen und Berufenen
aller Zeiten und Völker halten, würde suchen, sie kennen und
verstehen zu lernen, und könnte so allmählich zu echter Bildung gelangen.
Dann würden auch bald jene Tausende unberufener Produktionen
ausbleiben, die wie Unkraut dem guten Weizen das Aufkommen
erschweren. (
W. II, 162.)
3) Wert der Meinung des Publikums.
Wegen der Urteilslosigkeit des Publikums ist zwar die Meinung
und der Beifall desselben gering zu achten; (Vergl.
Beifall und
Meinung.) Andererseits jedoch ist der Verachtung der Meinung des
Publikums gegenüber an das Wort des
Aristoteles zu erinnern. dass,
obwohl die Einzelnen, die das Publikum ausmachen, in der Regel
keines richtigen Urteils fähig sind, dennoch dieses Publikum im Verein
meistens richtig und treffend urteilt. (
M. 410.
H. 468.) Man
kann mitunter Züge von Geist, oder Urteil, wie durch Inspiration,
bei Solchen finden, die übrigens zum großen Haufen gehören, ja, bisweilen
sogar bei diesem selbst, wenn er, wie meistens, sobald nur sein
Chorus groß und vollständig geworden, sehr richtig urteilt, wie der
Zusammenklang auch ungeschulter Stimmen, wenn nur ihrer sehr viele
sind, stets harmonisch ausfällt. (
P. II, 88 fg.)