1) Quelle des Beifalls.
Die Quelle alles Wohlgefallens ist die Homogenität. Daher
werden Jedem die Werke der ihm Homogenen zusagen, also wird der
Platte, Seichte, Verschrobene, in bloßen Worten Kramende nur den
ihm Verwandten seinen aufrichtigen, wirklich gefühlten Beifall zollen; die
Werke der großen Geister hingegen wird er allein auf Auktorität,
d. h. durch Scheu gezwungen, gelten lassen; während sie ihm im
Herzen Missfallen. (
P. II, 492 fg.)
2) Warum die Werke der Genies so schwer Beifall
finden.
Urteilslosigkeit und Neid, also ein Intellektuelles und moralisches
Hindernis der Anerkennung des Echten sind Schuld, dass die
Werte der Genies so schwer und so spät Beifall finden.
Wegen der Urteilslosigkeit der Menge geschieht es nur durch einen
langsamen und komplizierten Prozess, dass die Werke der Genies Beifall
und Ruhm erlangen, indem nämlich jeder schlechte Kopf allmählich, gezwungen
und gleichsam gebändigt, das Übergewicht des zunächst über
ihm Stehenden anerkennt, und so aufwärts, wodurch es nach und nach
dahin kommt, dass das bloße Resultat des Gewichtes der Stimmen
das der Zahl derselben überwältigt. (
P. II, 493.)
Nicht weniger jedoch, als die Urteilslosigkeit, steht der Anerkennung
des Verdienstes in hoher Gattung der Neid entgegen, er, der ja selbst
in den niedrigsten demselben beim ersten Schritte sich entgegenstellt und
bis zum letzten nicht von ihm weicht. (
P. II, 494 fg.)
3) Der Beifall als Maßstab des Intellektuellen
Wertes eines Zeitalters.
Den richtigen Maßstab für den Intellektuellen Wert eines Zeitalters
geben nicht die großen Geister, die in demselben auftraten, sondern die
Aufnahme, welche ihre Werke bei ihren Zeitgenossen gefunden haben,
ob nämlich ihnen ein baldiger und lebhafter Beifall ward, oder ein
später und zäher, oder ob er ganz der Nachwelt überlassen blieb.
(
P. II, 505.)
4) Geringer Wert des Beifalls der Zeitgenossen.
Da die Menschen in der Regel ohne eigenes Urteil sind und zumal
hohe und schwierige Leistungen abzuschätzen durchaus keine Fähigkeit
haben; so folgen sie hier stets fremder Auktorität, und der Ruhm, in
hoher Gattung, beruht bei 99 unter 100 Rühmern, bloß auf Treu
und Glauben. Daher kann auch der vielstimmigste Beifall der Zeitgenossen
für denkende Köpfe nur wenig Wert haben, indem sie in ihm
stets nur das Echo weniger Stimmen hören, die zudem selbst nur sind,
wie der Tag sie gebracht hat. Würde wohl ein Virtuose sich geschmeichelt
fühlen durch das laute Beifallsklatschen seines Publikums, wenn ihm
bekannt wäre, dass es, bis auf Einen oder Zwei, aus lauter völlig
Tauben bestände, die, um einander gegenseitig ihr Gebrechen zu verbergen,
eifrig klatschten, sobald sie die Hände jenes Einen in Bewegung
sähen? Und nun gar, wenn die Kenntnis hinzu käme, dass jene Vorklatscher
sich oft bestechen ließen, um dem elendsten Geiger den lautesten
Applaus zu verschaffen? (
P. I, 425 fg.)
5) Das Ungenügende des eigenen Beifalls.
Der eigene Beifall ist nie eine Garantie des Wertes eines Gedankenwerks;
denn er besagt nur, dass die darin ausgedrückten Gedanken
des Autors mit seiner Ansicht der Welt übereinstimmen, welches sich
von selbst versteht; wohl aber ist jeder aufrichtige fremde Beifall
eine solche Garantie. Denn wenn die Gedanken, nachdem sie ihren
Weg aus einem Kopf in den anderen gemacht haben, auch mit der
in diesem vorhandenen Anschauung der Welt übereinstimmen, so kann
dies seinen Grund nur darin haben, dass sie objektiv sind. Den
fremden, einzelnen Beifall aus zufälliger Übereinstimmung der Denkart
erklären, geht nur dann, wann man in der Manier, Mode, herrschenden
Denkungsart der Zeit, also ohne Originalität geschrieben, oder Räsonnements
gemacht hat, wie Jeder sie selbst macht, also trivial ist.
Außerdem ist die Verschiedenheit jeder Individualität von der andern
zu groß. Also schon ein echter fremder kompetenter Beifall gibt dem
Selbstgedachten und Originellen Garantie. (
M. 410.)