Materialismus.
1) Fehler des Materialismus.
Der Materialismus gehört zu den vom Objekt ausgehenden Systemen. (W. I, 31.) Er setzt die Materie, und Zeit und Raum mit ihr, als schlechthin bestehend, und überspringt die Beziehung auf das Subjekt, in welcher dies Alles doch allein da ist. Er ergreift ferner das Gesetz der Kausalität zum Leitfaden, an dem er fortschreiten will, es als an sich bestehende Ordnung der Dinge nehmend, folglich den Verstand überspringend, in welchem und für welchen allein Kausalität ist. Nun sucht er den ersten einfachsten Zustand der Materie zu finden, und dann aus ihm alle anderen zu entwickeln, vom bloßen Mechanismus aufsteigend bis zum animalischen Erkennen, welches folglich jetzt als eine bloße Modifikation der Materie, ein durch Kausalität herbeigeführter Zustand derselben auftritt. Da jedoch dies letzte, so mühsam herbeigeführte Resultat, das Erkennen, schon beim allerersten Ausgangspunkt, der bloßen Materie, als unumgängliche Bedingung vorausgesetzt war, so enthüllt sich hier die enorme petitio principii des Materialismus. Die Grundabsurdität des Materialismus besteht demnach darin, dass er vom Objektiven ausgeht, ein Objektives zum letzten Erklärungsgrunde nimmt, sei dieses nun die Materie in abstrakto, oder die empirisch gegebene, also der Stoff, etwa die chemischen Grundstoffe. Dergleichen nimmt er als an sich und absolut existierend, um daraus die organische Natur und zuletzt das erkennende Subjekt zu erklären; — während in Wahrheit alles Objektive, schon als solches, durch das erkennende Subjekt mit den Formen seines Erkennens bedingt ist. Der Materialismus ist also der Versuch, das uns unmittelbar Gegebene aus dem mittelbar Gegebenen zu erklären. (W. I, 32 fg. 35; II, 357.) Der Materialismus ist die Philosophie des bei seiner Rechnung sich selbst vergessenden Subjekts. (W. II, 15.)
Nächstdem, dass der Materialismus der Materie eine absolute,
d. h. vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Existenz beilegt, —
worin sein Grundfehler besteht — muss er, wenn er redlich zu Werke
gehen will, die den gegebenen Materien, d. h. den Stoffen, inhärierenden
Qualitäten, samt den in diesen sich äußernden Naturkräften, und endlich
auch die Lebenskraft, als unergründliche qualitates occultas der
Materie unerklärt dastehen lassen und von ihnen ausgehen. Aber gerade,
um dieses zu vermeiden, verfährt der Materialismus, wenigstens
wie er bisher aufgetreten, nicht redlich; er leugnet nämlich all jene
ursprünglichen Kräfte weg, indem er sie alle, und am Ende auch die
Lebenskraft, vorgeblich und scheinbar zurückführt auf die bloß mechanische
Wirksamkeit der Materie. Sein Vorhaben ist, alles Qualitative
auf ein bloß Quantitatives zurückzuführen, indem er jenes zur
Form, im Gegensatz der eigentlichen Materie, zählt. Dieser Weg
führt ihn notwendig auf die Fiktion der Atome. Dabei hat er es
aber eigentlich gar nicht mehr mit der empirisch gegebenen, sondern
mit einer Materie zu tun, die in rerum natura nicht anzutreffen,
vielmehr ein bloßes Abstraktum jener wirklichen Materie ist. (W. II,
357 fg.)
Man könnte sagen, der Materialismus, wie er bisher aufgetreten,
wäre bloß dadurch misslungen, dass er die Materie, aus der er die
Welt zu konstruieren gedachte, nicht genugsam gekannt, und daher,
statt ihrer, es mit einem eigenschaftslosen Wechselbalg derselben zu tun
gehabt hätte; wenn er hingegen, statt dessen, die wirkliche und empirisch
gegebene Materie (d. h. die Stoffe) genommen hätte, ausgestattet,
wie sie ist, mit allen physikalischen, chemischen, elektrischen und
auch mit den aus ihr selbst das Leben spontan hervortreibenden Eigenschaften;
so hätte aus dieser, d. h. aus der vollständig gefassten und
erschöpfend gekannten Materie, sich schon eine Welt konstruieren lassen,
deren der Materialismus sich nicht zu schämen brauchte. Ganz recht;
nur hätte das Kunststück dann darin bestanden, dass man die Quaesita
in die Data verlegte, indem man angeblich die bloße Materie, wirklich
aber alle die geheimnisvollen Kräfte der Natur, welche an derselben
haften, oder richtiger, mittelst ihrer uns sichtbar werden, als das Gegebene
nähme und zum Ausgangspunkt der Ableitungen machte; —
ungefähr wie wenn man unter dem Namen der Schüssel das Daraufliegende
versteht. (W. II, 360 fg.)
Zu den materialistischen Systemen, welche aus der mit bloß mechanischen
Eigenschaften ausgestatteten Materie, und gemäß den Gesetzen
derselben, die Welt entstehen lassen, stimmt nicht die durchgängige bewunderungswürdige
Zweckmäßigkeit der Natur, noch das Dasein der
Erkenntnis, in welcher doch sogar jene Materie allererst sich darstellt.
(P. I, 73.)