1) Über das Wort Atheismus
.
Das Wort Atheismus enthält eine Erschleichung, weil es vorweg
den Theismus als sich von selbst verstehend annimmt. Man sollte
statt Dessen sagen: Nichtjudentum, und statt Atheist: Nichtjude;
so wäre es ehrlich geredet. (
G. 295;
P. I, 124.)
2) Was dem Vorwurf des Atheismus Kraft erteilt.
Hinter dem an sich abgeschmackten, auch meistens boshaften Vorwurf
des Atheismus liegt, als seine innere Bedeutung und ihm Kraft
erteilende Wahrheit, der dunkle Begriff des auf den Thron der Metaphysik
gesetzten Naturalismus oder der absoluten Physik. Eine
solche müsste allerdings für die Ethik zerstörend sein, als welche, wenn
auch nicht vom Theismus, doch von einer Metaphysik überhaupt,
d. h. von der Erkenntnis, dass die Ordnung der Natur nicht
die einzige und absolute Ordnung der Dinge sei, unzertrennlich ist.
(
W. II, 194.)
3) Atheismus ist nicht notwendig Materialismus.
Bis auf Kant bestand ein Dilemma zwischen Materialismus und
Theismus, d. h. zwischen Ableitung der Welt aus blindem Zufall und
Ableitung derselben aus einer von Außen zweckmäßig ordnenden Intelligenz.
Daher war Atheismus und Materialismus gleichbedeutend.
Man hatte nur die Wahl zwischen Theismus und Materialismus.
Aber da für die Zweckmäßigkeit der Welt (nach Kants
Kritik) eine andere Erklärung eröffnet ist, als die aus einem intelligenten
Gott (s.
Teleologie), so hat jenes Dilemma zwischen Materialismus
und Theismus seine Gültigkeit verloren und Atheismus schließt nicht
notwendig Materialismus ein. (W. I, 608 fg.)
4) Atheismus ist nicht gleichbedeutend mit Religionslosigkeit.
Religion ist nicht identisch mit Theismus, folglich ist Atheismus
nicht gleichbedeutend mit Religionslosigkeit. Dies beweisen die faktisch
existierenden atheistischen Religionen, der Brahmanismus, Buddhismus
und neben dem Buddhismus die beiden anderen sich in China
behauptenden Religionen: die der Taossee und die des Konfuzius.
Religion und Theismus sind keineswegs synonym, sondern erstere verhält
sich zu letzterem, wie das Genus zu einer einzigen Spezies.
(
G. 125—129.
P. I, 126.)