2) Vorzug der unmittelbaren (anschaulichen) vor der
mittelbaren (erschlossenen) Gewissheit.
Die wissenschaftliche Form bringt es mit sich, dass die Wahrheit
vieler Sätze nur logisch begründet wird, nämlich durch ihre Abhängigkeit
von anderen Sätzen, also durch Schlüsse, die zugleich als
Beweise auftreten. Man soll aber nie vergessen, dass diese ganze
Form nur ein Erleichterungsmittel der Erkenntnis ist, nicht aber ein
Mittel zu größerer Gewissheit. Es ist leichter, die Beschaffenheit eines
Tieres aus der Spezies, zu der es gehört, und so aufwärts aus dem
genus, der Familie, der Ordnung, der Klasse zu erkennen, als das
jedesmal gegebene Tier für sich zu untersuchen; aber die Wahrheit
aller durch Schlüsse abgeleiteten Sätze ist immer nur bedingt und zuletzt
abhängig von einer, die nicht auf Schlüssen, sondern auf Anschauung
beruht. Läge diese letztere uns immer so nahe, wie die
Ableitung durch einen Schluss, so wäre sie durchaus vorzuziehen.
Denn alle Ableitung aus Begriffen ist, wegen des mannigfaltigen
Ineinandergreifens der Sphären und der oft schwankenden Bestimmung
ihres Inhalts, vielen Täuschungen ausgesetzt. — Schlüsse sind zwar
der Form nach völlig gewiss; allein sie sind sehr unsicher durch ihre
Materie, die Begriffe. Überall folglich ist unmittelbare Evidenz der
bewiesenen Wahrheit weit vorzuziehen, und diese nur da anzunehmen,
wo jene zu weit herzuholen wäre, nicht aber, wo sie ebenso nahe oder
gar näher liegt, als diese. (
W. I, 81 fg. Vergl. auch
Beweis und
Evidenz.)