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Schopenhauers Kosmos

 

 Beweis.

1) Was jeder Beweis ist.

Jeder Beweis ist die Darlegung des Grundes zu einem ausgesprochenen Urteil, welches eben dadurch das Prädikat wahr erhält. (G. 23.) Ein Satz von mittelbarer Gewissheit ist ein Lehrsatz, und das dieselbe Vermittelnde ist der Beweis. (W. II, 132.) Jeder Beweis ist die Zurückführung auf ein Anerkanntes (G. 23.)

2) Worauf sich jeder Beweis zuletzt stützt.

Der den Wissenschaften eigentümliche Weg der Erkenntnis vom Allgemeinen zum Besonderen bringt es mit sich, dass in ihnen Vieles durch Ableitung aus vorhergegangenen Sätzen, also durch Beweise, begründet wird, und dies hat den alten Irrtum veranlasst, dass nur das Bewiesene vollkommen wahr sei und jede Wahrheit eines Beweises bedürfe; da vielmehr im Gegenteil jeder Beweis einer unbewiesenen Wahrheit bedarf, die zuletzt ihn, oder auch wieder seine Beweise stützt; daher eine unmittelbar begründete Wahrheit der durch einen Beweis begründeten so vorzuziehen ist, wie Wasser aus der Quelle dem aus dem Aquädukt. (W. I, 76. 78.)

3) Die bewiesenen Sätze sind nicht evident, sondern nur folgerichtig zu nennen.

Jede Beweisführung ist eine logische Ableitung des behaupteten Satzes aus einem bereits ausgemachten und gewissen, — mit Hilfe eines andern, als zweiter Prämisse. Jener Satz nun muss entweder selbst ursprüngliche Gewissheit haben, oder aus einem, der solche hat, folgen. Dergleichen Sätze von ursprünglicher Gewissheit, als entstanden durch Übertragung des anschaulich Aufgefassten in das Abstrakte, heißen evident; welches Prädikat eigentlich nur ihnen zukommt, nicht aber den bloß bewiesenen Sätzen, welche als Folgerungen aus den Prämissen nur folgerichtig zu nennen sind. (P. II, 23.)

4) Die subjektive Fähigkeit zum Beweisen.

Sätze aus Sätzen zu folgern, zu beweisen, zu schließen, vermag Jeder, der nur gesunde Vernunft hat. Hingegen das anschaulich Erkannte in angemessene Begriffe für die Reflexion absetzen und fixieren — dazu gehört Urteilskraft. (W. I, 77.) Die subjektive Bedingung zur Erkenntnis der unmittelbar wahren Sätze — die Urteilskraft — gehört zu den Vorzügen der überlegenen Köpfe, während die Fähigkeit, aus gegebenen Prämissen die richtige Konklusion zu ziehen, keinem gesunden Kopfe abgeht. (P. II, 24.)

5) Unterschied der Köpfe in Hinsicht auf das Beweisbedürfnis.

Urteilsfähige Köpfe, Erfinder und Entdecker besitzen die Fähigkeit der Durchschauung komplizierter Verhältnisse, wodurch das Feld der Sätze von unmittelbarer Wahrheit für sie ein ungleich ausgedehnteres ist, als das der gewöhnlichen Köpfe, und Vieles von Dem befasst, wovon diese Letzteren nie mehr, als die schwächere, bloß mittelbare Überzeugung erhalten können. Für diese Letzteren eigentlich wird zu einer neu entdeckten Wahrheit hinterher der Beweis, d. i. die Zurückführung auf bereits anerkannte, oder sonst unzweifelhafte Wahrheiten gesucht. (P. II, 24 fg.)

6) Fehler im Beweise.

Ein Beweis beweist zu viel, wenn er sich auf Dinge oder Fälle erstreckt, von denen das zu Beweisende offenbar nicht gilt, daher er durch diese apagogisch widerlegt wird. (W. II, 132.)
Es kommt bisweilen der Fall vor, dass eine wahre Konklusion aus falschen Prämissen gefolgert wird. Dies entsteht allemal dann, wann wir durch ein richtiges Apercu eine Wahrheit unmittelbar einsehen, aber das Herausfinden und Deutlichmachen ihrer Erkenntnisgründe uns misslingt, indem wir diese nicht zum deutlichen Bewusstsein bringen können. Denn bei jeder ursprünglichen Einsicht ist die Überzeugung früher da, als der Beweis; dieser wird erst hinterher dazu ersonnen. (N. 82 fg.)

7) Warum beweisen schwerer ist, als widerlegen.

Hierüber siehe: Epagoge.