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Schopenhauers Kosmos

 

 Gesundheit.

1) Die Gesundheit als Sieg des Organismus über die physischen und chemischen Kräfte.

Kein Sieg ohne Kampf. Indem jede höhere Idee, oder Willensobjektivation, nur durch Überwältigung der niedrigeren hervortreten kann, erleidet sie den Widerstand dieser, welche, wenngleich zur Dienstbarkeit gebracht, doch immer noch streben, zur unabhängigen und vollständigen Äußerung ihres Wesens zu gelangen. Auch die im menschlichen Organismus erscheinende Idee unterhält einen dauernden Kampf gegen die physischen und chemischen Kräfte, welche als niedrigere Ideen ein früheres Anrecht auf die Materie haben. Daher ist das behagliche Gefühl der Gesundheit, welches den Sieg des Organismus über die physischen und chemischen Kräfte ausdrückt, so oft unterbrochen, ja eigentlich immer begleitet von einer gewissen größeren oder kleineren Unbehaglichkeit, welche aus dem Widerstand jener Kräfte hervorgeht, und wodurch schon der vegetative Teil unseres Lebens mit einem leisen Leiden beständig verknüpft ist. (W. I, 173 fg.)

2) Das Innewerden der Gesundheit.

Wegen der Negativität aller Befriedigung, alles Genuss (vergl. Befriedigung) im Gegensatz zu der Positivität des Schmerzes können nur Schmerz und Mangel positiv empfunden werden und kündigen sich selbst an, das Wohlsein hingegen ist bloß negativ. Daher werden wir der drei größten Güter des Lebens, der Gesundheit, Jugend und Freiheit, nicht als solcher inne, so lange wir sie besitzen, sondern erst, nachdem wir sie verloren haben; denn auch sie sind Negationen. (W. II, 657.)

3) Wichtigkeit der Gesundheit für das Lebensglück.

Dass für unser Glück viel wesentlicher ist was wir sind, als was wir haben, bestätigt sich in Allem. Besonders überwiegt Gesundheit alle äußeren Güter so sehr, dass wahrlich ein gesunder Bettler glücklicher ist, als ein kranker König. (P. I, 336 fg.) Neun Zehntel unseres Glückes beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird Alles eine Quelle des Genuss; hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch sei, genießbar, und selbst die übrigen subjektiven Güter, die Eigenschaften des Geistes, Gemütes, Temperaments werden durch Kränklichkeit herabgestimmt und sehr verkümmert. Demnach geschieht es nicht ohne Grund, dass man vor allen Dingen sich gegenseitig nach dem Gesundheitszustand befragt und einander sich wohlzubefinden wünscht; denn wirklich ist dieses bei Weitem die Hauptsache zum menschlichen Glück. Hieraus aber folgt, dass die größte aller Torheiten ist, seine Gesundheit aufzuopfern für Erwerb, Beförderung, Gelehrsamkeit, Ruhm, Wollust, oder was es auch sei. Vielmehr soll man ihr Alles nachsetzen. (P. I, 344.)

4) Mittel zur Erhaltung und Befestigung der Gesundheit.

Die Mittel hierzu sind Vermeidung aller Exzesse und Ausschweifungen, aller heftigen und unangenehmen Gemütsbewegungen, auch aller zu großen oder zu anhaltenden Geistesanstrengung, täglich zwei Stunden rascher Bewegung in freier Luft, viel kaltes Baden und ähnliche diätetische Maßregeln. (P. I, 343.) Solange man gesund ist, härte man sich dadurch ab, dass man den Körper durch auferlegte Anstrengung und Beschwerde gewöhne, widrigen Einflüssen jeder Art zu widerstehen. Sobald hingegen ein krankhafter Zustand sich kund gibt, ist sogleich das entgegengesetzte Verfahren zu ergreifen und der kranke Leib, oder Teil desselben zu schonen und zu pflegen; denn das Leidende und Geschwächte ist keiner Abhärtung fähig. (P. I, 470.)
Der Muskel wird durch starken Gebrauch gestärkt; der Nerv hingegen dadurch geschwächt. Also übe man seine Muskeln durch jede angemessene Anstrengung, hüte hingegen die Nerven vor jeder; also die Augen vor zu hellem, besonders reflektiertem Licht, vor jeder Anstrengung in der Dämmerung, wie auch vor anhaltendem Betrachten zu kleiner Gegenstände; eben so die Ohren vor zu starkem Geräusch; vorzüglich aber das Gehirn vor gezwungener, zu anhaltender, oder unzeitiger Anstrengung. (P. I, 470. Vergl. unter Gehirn: Verhaltensregel in Bezug auf die Anstrengung des Gehirns.)

5) Einfluss der Monate auf die Gesundheit.

Jeder Monat des Jahres hat einen eigentümlichen und unmittelbaren, d. h. vom Wetter unabhängigen, Einfluss auf unsere Gesundheit, unsere körperlichen Zustände überhaupt, ja, auch auf die geistigen. (P. I, 472.)