1) Gegensatz zwischen Erscheinung und Ding an sich.
S.
Ding an sich.
2) Die Erscheinung als Manifestation des Dinges
an sich.
Die Erscheinung ist Manifestation Desjenigen, was erscheint, des
Dinges an sich. Dieses muss daher sein Wesen und seinen Charakter
in der Erscheinungswelt ausdrücken, mithin solcher aus ihm herauszudeuten
sein, und zwar aus dem Stoff, nicht aus der bloßen Form
der Erscheinung. (
W. II, 204.) In der objektiven, d. h. in der
Erscheinungswelt kann sich nichts darstellen, was nicht im Wesen der
Dinge an sich, also in dem der Erscheinung zum Grunde liegenden
Willen, ein genau dem entsprechend modifiziertes Streben hätte. Denn
die Welt als Vorstellung kann nichts aus eigenen Mitteln liefern, eben
darum aber auch kann sie kein eitles, müßig ersonnenes Märchen
auftischen. Die endlose Mannigfaltigkeit der Formen und sogar der
Färbungen der Pflanzen und ihrer Blüten muss doch überall der Ausdruck
eines eben so modifizierten subjektiven Wesens sein; d. h. der
Wille als Ding an sich, der sich darin darstellt, muss durch sie genau
abgebildet sein. (
P. II, 188 fg.) So weit die Dinge
a priori bestimmbar
sind, gehören sie der bloßen Erscheinung (Vorstellung) an,
hingegen in dem Maße, als sie empirischen, aposteriorischen Gehaltes
sind, offenbart sich in ihnen das Ding an sich, der Wille. (
N. 86.)
Die empirischen Eigenschaften (oder vielmehr die gemeinsame Quelle
derselben) verbleiben dem Dinge an sich selbst, als Äußerungen seines
selbsteigenen Wesens durch das Medium der apriorischen Formen hindurch.
(
P. I, 98.) Zwar nicht in den Eigenschaften, weder den
apriorischen, noch den empirischen, stellt sich das Wesen des Dinges
an sich dar, da ja auch die empirischen Eigenschaften, als durch die
Sinnesempfindung bedingt, noch subjektiven Ursprungs sind; wohl
aber müssen die speziellen und individuellen Unterschiede dieser
Eigenschaften, die Unterschiede im Allgemeinen genommen, irgendwie
ein Ausdruck des Dinges an sich sein; z. B. weder die Gestalt, noch
die Farbe der Rose, wohl aber Dieses, dass die eine sich in roter,
die andere sich in gelber Farbe darstellt; oder nicht die Form, noch
die Farbe des Menschengesichts, aber, dass der Eine diese, der Andere
jene Physiognomie hat. (
P. I, 99 fg.
M. 594.)
3) Das Grundgerüst der Erscheinung.
Die Erscheinungswelt (die Welt als Vorstellung, die objektive Welt),
hat zwei Kugel-Pole: nämlich das erkennende Subjekt schlechthin und
die reine, formlose Materie. Man kann die Beharrlichkeit der Materie
betrachten als den Reflex der Zeitlosigkeit des reinen, schlechthin als
Bedingung alles Objekts angenommenen Subjekts. Beide gehören der
Erscheinung an, nicht dem Dinge an sich, aber sie sind das Grundgerüst
der Erscheinung. Beide werden nur durch Abstraktion herausgefunden,
sind nicht unmittelbar und für sich gegeben. (
W. II, 18.)
Die Erkenntnis und die Materie (Subjekt und Objekt) sind nur relativ
für einander und machen die Erscheinung aus. (
N. 21.
W. II,
20—22.) Das Objekt- für ein Subjekt-Sein ist die erste und allgemeinste
Form aller Erscheinung. (
W. I, 206.)
4) Unterschied zwischen der unmittelbaren und mittelbaren
Erscheinung.
Obwohl Alles Objekt Erscheinung ist, so ist doch ein Unterschied zu
machen zwischen der ursprünglichen, unmittelbaren Objektität
(Sichtbarkeit) und der mittelbaren, sekundären. Zu jener gehören
die Ideen, (s.
Idee), zu dieser die einzelnen Dinge. Das
einzelne, in Gemäßheit des Satzes vom Grunde erscheinende Ding ist
nur eine mittelbare Objektivation des Dinges an sich (welches der
Wille ist), zwischen welchem und ihm noch die Idee steht, als die
alleinige unmittelbare Objektität des Willens, indem sie keine andere
dem Erkennen als solchem eigene Form angenommen hat, als die
der Vorstellung überhaupt, d. i. des Objektseins für ein Subjekt. Die
Idee allein ist die möglichst adäquate Objektität des Willens oder
Dinges an sich, die einzelnen Dinge hingegen sind keine ganz adäquate
Objektität des Willens, sondern diese ist hier schon getrübt durch jene
Formen, deren gemeinschaftlicher Ausdruck der Satz vom Grunde ist.
(
W. I, 206; II, 414 fg.) Während die Individuen, in denen die
Idee sich darstellt, unzählige sind und unaufhaltsam werden und vergehen,
bleibt die Idee unverändert als die eine und selbe stehen, und
der Satz vom Grunde hat für sie keine Bedeutung. (
W. I, 200.)
5) Notwendigkeit der Erscheinungen.
Die Erscheinung ist durchweg dem Satz vom Grunde unterworfen
in seinen vier Gestaltungen. (S.
Grund.) Da nun Notwendigkeit
durchaus identisch ist mit Folge aus gegebenem Grunde, und
beides Wechselbegriffe sind (s.
Notwendigkeit); so ist Alles, was
zur Erscheinung gehört, d. h. Objekt für das erkennende Subjekt ist,
einerseits Grund, andererseits Folge, und in dieser letzteren Eigenschaft
durchweg notwendig bestimmt, kann daher in keiner Beziehung anders
sein, als es ist. Der ganze Inhalt der Natur, ihre gesamten Erscheinungen,
sind also durchaus notwendig, und die Notwendigkeit
jedes Teils, jeder Erscheinung, jeder Begebenheit, lässt sich jedesmal
nachweisen, indem der Grund zu finden sein muss, von dem sie als
Folge abhängt. Dies leidet keine Ausnahme; es folgt aus der unbeschränkten
Gültigkeit des Satzes vom Grunde innerhalb des Gebietes
der Erscheinung. (
W. I, 338.)