1) Elternliebe.
An den Geschlechtstrieb knüpft sich die Elternliebe, in welcher sich
also das Gattungsleben fortsetzt. Demgemäß hat die Liebe des
Tieres zu seiner Brut eine Stärke, welche die der bloß auf das eigene
Individuum gerichteten Bestrebungen weit übertrifft. Dies zeigt sich
in dem Kampf und der Aufopferung, zu denen selbst die sanftesten
Tiere für ihre Jungen bereit sind. Beim Menschen wird diese instinktive
Elternliebe durch die Vernunft, d. h. die Überlegung geleitet,
bisweilen aber auch gehemmt. An sich selbst ist sie jedoch im Menschen
nicht weniger stark, wie manche Beispiele zeigen. Bei den Tieren
jedoch, da sie keiner Überlegung fähig sind, zeigt die instinktive Mutterliebe
(das Männchen ist sich seiner Vaterschaft meist nicht bewusst) sich
unvermittelt und unverfälscht, daher mit voller Deutlichkeit und in
ihrer ganzen Stärke. Im Grunde ist sie der Ausdruck des Bewusstseins
im Tiere, dass sein wahres Wesen unmittelbarer in der Gattung,
als im Individuum, liegt, daher es nötigenfalls sein Leben opfert, damit
in den Jungen die Gattung erhalten werde. Also wird hier, wie
auch im Geschlechtstriebe (s.
Geschlechtstrieb), der Wille zum Leben
gewissermaßen transzendent, indem sein Bewusstsein sich über das Individuum,
welchem es inhäriert, hinaus auf die Gattung erstreckt.
(
W. II, 587 fg.)
2) Pflicht und Recht der Eltern.
Alle Pflichten beruhen zwar auf gegenseitiger Verpflichtung, und
diese ist in der Regel eine ausdrückliche, gegenseitige Übereinkunft.
(S.
Pflicht.) Doch gibt es eine Verpflichtung, die nicht mittelst
einer Übereinkunft, sondern unmittelbar durch eine bloße Handlung
übernommen wird; weil Der, gegen den man sie hat, noch nicht da
war, als man sie übernahm. Es ist die der Eltern gegen ihre Kinder.
Wer ein Kind in die Welt setzt, hat die Pflicht es zu erhalten, bis
es sich selbst zu erhalten fähig ist, und sollte diese Zeit, wie bei einem,
Blinden, Krüppel, Kretinen u. dgl. nie eintreten, so hört auch die
Pflicht nie auf. Denn durch das bloße Nichtleisten der Hilfe, also
eine Unterlassung, würde er sein Kind verletzen, ja, dem Untergange
zuführen. Die moralische Pflicht der Kinder gegen die Eltern ist nicht
so unmittelbar und entschieden. Sie beruht darauf, dass, weil jede
Pflicht ein Recht gibt, auch die Eltern eines gegen ihre Kinder haben,
welches bei diesen die Pflicht des Gehorsams begründet, die aber nachmals
mit dem Recht, aus welchem sie entstanden ist, auch aufhört. (
E. 221.)
3) Warum Eltern das kränkliche Kind am meisten
lieben.
Dass Eltern in der Regel das kränkliche Kind am meisten lieben,
beruht darauf, dass es immerfort Mitleid erregt. (
E. 238.)