Traum.
1) Kriterium zur Unterscheidung des Traums von der Wirklichkeit.
Nach Kant unterscheidet der Zusammenhang der Vorstellungen unter sich nach dem Gesetze der Kausalität das Leben vom Traum. Dies ist nicht richtig; denn auch im Traum hängt alles Einzelne ebenso nach dem Satz vom Grunde in allen seinen Gestalten zusammen, und dieser Zusammenhang bricht bloß ab zwischen dem Leben und dem Traum und zwischen den einzelnen Träumen. (W. I, 19.) Auch im Traum, so lange er nicht abbricht, behauptet das Gesetz der Kausalität sein Recht, nur dass ihm oft ein unmöglicher Stoff untergeschoben wird. (G. 89.)
Das allein sichere Kriterium zur Unterscheidung des Traums von
der Wirklichkeit ist kein anderes, als das ganz empirische des Erwachens,
durch welches der Kausalzusammenhang zwischen den geträumten Begebenheiten
und denen des wachen Lebens ausdrücklich und fühlbar
abgebrochen wird. (W. I, 19 fg.)
Obwohl aber die einzelnen Träume vom wirklichen Leben dadurch
geschieden sind, dass sie in den Zusammenhang der Erfahrung, welcher
durch dasselbe stetig geht, nicht mit eingreifen, und das Erwachen diesen
Unterschied bezeichnet; so gehört ja doch eben jener Zusammenhang der
Erfahrung (nach dem Satz vom Grunde) schon dem wirklichen Leben
als seine Form an, und der Traum hat eben so auch in sich einen
Zusammenhang (nach dem Satz vom Grunde) aufzuweisen. Nimmt
man nun den Standpunkt der Beurteilung außerhalb beider an, so
findet sich in ihrem Wesen kein bestimmter Unterschied, und man ist
genötigt, den Dichteren zuzugeben, dass das Leben ein langer Traum
sei. (W. I, 21. Vergl. unter Leben: Verwandtschaft zwischen Leben
und Traum.)
2) Ursache des Eintritts der Träume.
Dem Satz vom Grunde als dem ausnahmslosen Prinzip der Abhängigkeit und Bedingtheit aller irgend für uns vorhandenen Gegenstände müssen auch die Träume hinsichtlich ihres Eintritts unterworfen sein. Es fragt sich daher, auf welche Weise. Das Charakteristische des Traums ist die ihm wesentliche Bedingung des Schlafs. Demnach wird der Eintritt, mithin auch der Stoff des Traums zuvörderst nicht durch äußere Eindrücke auf die Sinne herbeigeführt, von einzelnen Fällen abgesehen, wo bei leichtem Schlummer äußere Sinneseindrücke Einfluss auf den Traum erlangt haben. Aber auch nicht durch die Gedankenassoziation werden die Träume herbeigeführt. Denn schon die ersten Traumbilder des Einschlafenden sind stets ohne irgend einen Zusammenhang mit den Gedanken, unter denen er eingeschlafen ist, ja, sie sind diesen auffallend heterogen. Da nun also bei der Entstehung der Träume dem Gehirne sowohl die Erregung von außen, durch die Sinne, als die von innen, durch die Gedanken, abgeschnitten ist; so bleibt nur die Annahme übrig, dass dasselbe irgend eine rein physiologische Erregung dazu, aus dem Inneren des Organismus, erhalte. Beim Einschlafen nämlich, als wo die äußeren Eindrücke zu wirken aufhören und auch die Regsamkeit der Gedanken im Inneren des Sensoriums allmählich erstirbt, da werden jene schwachen, im wachen Zustande nicht wahrgenommenen Eindrücke, die aus dem inneren Nervenherde des organischen Lebens heraufdringen, imgleichen jede geringe Modifikation des Blutumlaufs, da sie sich den Gefäßen des Gehirns mitteilt, fühlbar. Hier also muss die Ursache der Entstehung und auch die durchgängige nähere Bestimmung jener beim Einschlafen aufsteigenden Traumgestalten liegen, und nicht weniger die der im tiefen Schlaf sich erhebenden, dramatischen Zusammenhang habenden Träume. Wie alle Sinnesnerven sowohl von innen, als von außen zu ihren eigentümlichen Empfindungen erregt werden können, auf gleiche Weise kann auch das Gehirn durch Reize, die aus dem Inneren des Organismus kommen, bestimmt werden, seine Funktion der Anschauung raumerfüllender Gestalten zu vollziehen; wo dann die so entstandenen Erscheinungen gar nicht zu unterscheiden sein werden von den durch Empfindungen in den Sinnesorganen veranlassten, welche durch äußere Ursachen hervorgerufen wurden. (P. I, 250 fg. 321.)3) Der physiologische Vorgang im Gehirn beim Träumen.
Die Art der Verwandtschaft, welche zwischen der Ursache oder Veranlassung des Traums (jenen schwachen Nachhällen gewisser Vorgänge im Inneren des Organismus, welche bis zum Gehirn hinauf dringen) und seinem davon beeinflussten Inhalt stattfindet, bleibt uns ein Geheimnis. Noch rätselhafter aber ist der physiologische Vorgang im Gehirn selbst, worin eigentlich das Träumen besteht. Der Schlaf nämlich ist die Ruhe des Gehirns, der Traum dennoch eine gewisse Tätigkeit desselben; sonach müssen wir, damit kein Widerspruch entstehe, jene für eine nur relative und diese für eine irgendwie limitierte und nur partielle erklären. In welchem Sinne nun sie dieses sei, ob den Teilen des Gehirns, oder dem Grad seiner Erregung, oder der Art seiner inneren Bewegung nach, und wodurch eigentlich sie sich vom wachen Zustande unterscheide, wissen wir nicht. (P. I, 252 fg.)
Folgende Hypothese hat große Wahrscheinlichkeit. Da das Gehirn
während des Schlafs seine Anregung zur Anschauung räumlicher Gestalten
von innen, statt, wie beim Wachen, von außen erhält; so muss
diese Einwirkung dasselbe in einer, der gewöhnlichen, von den Sinnen
kommenden, entgegengesetzten Richtung treffen. In Folge hiervon nimmt
nun auch seine ganze Tätigkeit, also die innere Vibration oder Wallung
seiner Fibern, eine der gewöhnlichen entgegengesetzte Richtung, gerät
gleichsam in eine antiperistaltische Bewegung. Statt dass sie nämlich
sonst in der Richtung der Sinneseindrücke, also von den Sinnesnerven
zum Inneren des Gehirns vor sich geht, wird sie jetzt in umgekehrter
Richtung und Ordnung, dadurch aber mitunter von anderen Teilen
vollzogen so dass jetzt zwar wohl nicht die untere Gehirnfläche, statt
der oberen, aber vielleicht die weiße Marksubstanz, statt der grauen
Kortikalsubstanz, und vice versa fungieren muss. Das Gehirn arbeitet
also jetzt wie umgekehrt. Durch diese Hypothese lässt sich die so merkwürdige
Lebendigkeit und Leibhaftigkeit der Traumanschauung begreiflich
machen, nämlich daraus, dass die aus dem Inneren kommende und vom
Zentrum ausgehende Anregung der Gehirntätigkeit, welche eine der gewöhnlichen
Richtung entgegengesetzte befolgt, endlich ganz durchdringt,
also zuletzt sich bis auf die Nerven der Sinnesorgane erstreckt, welche
nunmehr von innen, wie sonst von außen erregt, in wirkliche Tätigkeit
geraten. (P. I, 265 fg.)
Weil bei diesem Hergang die Sinnesnerven das Letzte sind, was in
Tätigkeit gerät; so kann es kommen, dass diese erst angefangen hat
und noch im Gange ist, wenn das Gehirn bereits aufwacht, d. h. die
Traumanschauung mit der gewöhnlichen vertauscht. Alsdann werden
wir, so eben erwacht, etwa Töne, z. B. Stimmen, Klopfen an der
Tür u. s. w. mit einer Deutlichkeit und Objektivität, die es der
Wirklichkeit vollkommen und ohne Abzug gleichtut, vernehmen.
(P. I, 267.)
4) Das Traumorgan.
Für das den Träumen zu Grunde liegende Vermögen zur anschaulichen Vorstellung raumerfüllender Gegenstände und zum Vernehmen und Verstehen von Stimmen jeder Art, Beides ohne die äußere Anregung der Sinnesempfindungen, wäre die bezeichnendste Benennung der von den Schotten für eine besondere Art seiner Äußerung gewählte Ausdruck second sight, das zweite Gesicht. Denn die Fähigkeit zu träumen ist in der Tat ein zweites, nämlich nicht, wie das erste, durch die äußeren Sinne vermitteltes Anschauungsvermögen. Da jedoch der Ausdruck zweites Gesicht bereits eine besondere Art der Äußerung des genannten Vermögens bezeichnet, so bleibt für die Bezeichnung der ganzen Gattung keine passendere Benennung übrig, als die des Traumorgans, als welche die ganze in Rede stehende Anschauungsweise durch diejenige Äußerung derselben bezeichnet, die Jedem bekannt und geläufig ist. (P. I, 253 fg.)
Das Traumorgan ist das selbe mit dem Organ des wachen Bewusstseins
und Anschauens der Außenwelt nur gleichsam vom andern
Ende angefasst und in umgekehrter Ordnung gebraucht. (P. I, 266.
Vergl: Der physiologische Vorgang im Gehirn beim Träumen.)
Das Traumorgan ist es, wodurch die somnambule Anschauung,
das Hellsehen, das zweite Gesicht und die Visionen jeder Art vollzogen
werden. (P. I, 267.)
Die Erfahrung lehrt, dass die Funktion des Traumorgans, welche
in der Regel den leichteren, gewöhnlichen, oder aber den tieferen, magnetischen
Schlaf zur Bedingung ihrer Tätigkeit hat, ausnahmsweise auch
bei wachem Gehirn zur Ausübung gelangen kann. Alsdann stehen
Gestalten vor uns, die denen, welche durch die Sinne ins Gehirn
kommen, so täuschend gleichen, dass sie mit diesen verwechselt und dafür
gehalten werden, bis sich ergibt, dass sie nicht Glieder des Zusammenhangs
der Erfahrung sind. Einer so sich darstellenden Gestalt nun
wird, je nach Dem, worin sie ihre entferntere Ursache hat, der Name
einer Halluzination, einer Vision, eines zweiten Gesichts, oder einer
Geistererscheinung zukommen. Denn ihre nächste Ursache muss allemal
im Inneren des Organismus liegen. (P. I, 290 fg.)
5) Unterschied zwischen Träumen und Phantasiebildern.
Die Träume für bloße Phantasiebilder ausgeben zu wollen, zeugt von Mangel an Besinnung; denn offenbar sind sie von diesen verschieden. Phantasiebilder sind schwach, matt, unvollständig, einseitig und so flüchtig, dass man das Bild eines Abwesenden kaum einige Sekunden gegenwärtig zu erhalten vermag, und sogar das lebhafteste Spiel der Phantasie hält keinen Vergleich aus mit jener handgreiflichen Wirklichkeit, die der Traum uns vorführt. Unsere Darstellungsfähigkeit im Traum übertrifft die unserer Einbildungskraft himmelweit, jeder anschauliche Gegenstand hat im Traum eine Wahrheit, Vollendung, konsequente Allseitigkeit bis zu den zufälligsten Eigenschaften herab, wie die Wirklichkeit selbst, von der die Phantasie himmelweit entfernt bleibt. Es ist ganz falsch, dies daraus erklären zu wollen, dass die Bilder der Phantasie durch den gleichzeitigen Eindruck der realen Außenwelt gestört und geschwächt würden; denn auch in der tiefsten Stille der Nacht vermag die Phantasie nichts der objektiven Anschaulichkeit und Leibhaftigkeit des Traums irgend nahe Kommendes hervorzubringen. Zudem sind die Phantasiebilder stets durch die Gedankenassoziation oder durch Motive herbeigeführt und vom Bewusstsein ihrer Willkürlichkeit begleitet. Der Traum hingegen steht da als ein völlig Fremdes, sich, wie die Außenwelt, ohne unser Zutun, ja wider unseren Willen Aufdrängendes. Dies Alles beweist, dass der Traum eine ganz eigentümliche Funktion unseres Gehirns und durchaus verschieden ist von der bloßen Einbildungskraft und ihrer Rumination. (P. I, 244—246.)
Da wir im Traum selbst noch uns abwesende Dinge durch die
Phantasie vorstellen, die Phantasie also während des Traums noch
disponibel ist, so kann sie nicht selbst das Medium oder Organ des
Traums sein. (P. I, 246.)
Das Phantasiebild (im Wachen) ist immer bloß im Gehirn; denn
es ist nur die, wenn auch modifizierte Reminiszenz einer früheren, materiellen,
durch die Sinne geschehenen Erregung der anschauenden Gehirntätigkeit.
Das Traumgesicht hingegen ist nicht bloß im Gehirn,
sondern auch in den Sinnesnerven und ist entstanden in Folge einer
materiellen, gegenwärtig wirksamen, aus dem Inneren kommenden und
das Gehirn durchdringenden Erregung derselben. (P. I, 266.)
6) Ähnlichkeit des Traums mit dem Wahnsinn.
Was das träumende Bewusstsein vom wachen hauptsächlich unterscheidet, ist der Mangel an Gedächtnis, oder vielmehr an zusammenhängender, besonnener Rückerinnerung. Wir träumen uns in wunderliche, ja unmögliche Lagen und Verhältnisse, ohne dass es uns einfiele, nach den Relationen derselben zum Abwesenden und den Ursachen ihres Eintritts zu forschen; wir vollziehen ungereimte Handlungen, weil wir des ihnen Entgegenstehenden nicht eingedenk sind. Wir träumen uns in vergangene Zeiten zurück, weil alle seitdem eingetretenen Veränderungen und Umgestaltungen vergessen sind. Auf diesem Mangel an Gedächtnis beruht eben die Ähnlichkeit des Traums mit dem Wahnsinn, welcher im Wesentlichen auf eine gewisse Zerrüttung des Erinnerungsvermögens zurückzuführen ist. (Vergl. Wahnsinn) Von diesem Gesichtspunkte aus lässt sich daher der Traum als ein kurzer Wahnsinn, der Wahnsinn als ein langer Traum bezeichnen. (P. I, 246.)
Es gibt keine Geisteskraft, die sich im Traum nie tätig erwiese;
dennoch zeigt der Verlauf desselben, wie auch unser eigenes Benehmen
darin, oft außerordentlichen Mangel an Urteilskraft, imgleichen an
Gedächtnis. (P. I, 253.)
7) Das Wahrträumen.
Nicht immer sind die Gegenstände des Traums illusorisch; denn es gibt auch einen Zustand, in welchem wir zwar schlafen und träumen, jedoch eben nur die uns umgebende Wirklichkeit selbst träumen. Dieser Zustand ist vom Wachen viel weniger zu unterscheiden, als der gewöhnliche Traum. Beim Erwachen aus einem Traum dieser Art geht bloß eine subjektive Veränderung mit uns vor, welche darin besteht, dass wir plötzlich eine Umwandlung des Organs unserer Wahrnehmung spüren. Diese Art des Träumens ist Das, was man Schlafwachen genannt hat; nicht etwa, weil es ein Mittelzustand zwischen Schlafen und Wachen ist, sondern weil es als ein Wachwerden im Schlafe selbst bezeichnet werden kann. Es wäre besser ein Wahrträumen zu nennen.
Diese Art des Träumens, deren Eigentümlichkeit darin besteht, dass
man die nächste gegenwärtige Wirklichkeit träumt, erhält bisweilen eine
Steigerung dadurch, dass der Gesichtskreis des Träumenden sich über
die nächste Umgebung hinaus erweitert. Belege des Wahrträumens
sind die Wahrnehmungen der Nachtwandler und der Somnambulen
jeder Art. (P. I, 254—265.)
Das Wahrträumen, welches schon im gewöhnlichen nächtlichen Schlaf
eintreten kann, erstreckt sich in selteneren Fällen schon über die gegenwärtige
nächste Umgebung hinaus, nämlich bis jenseits der nächsten
Scheidewände. Diese Erweiterung des Gesichtskreises kann nun aber
auch sehr viel weiter gehen und zwar nicht nur dem Raum, sondern
sogar der Zeit nach. Den Beweis davon geben uns die hellsehenden
Somnambulen, welche, in der Periode der höchsten Steigerung ihres
Zustandes, jeden beliebigen Ort, auf den man sie hinlenkt, sofort in
ihre anschauende Traumwahrnehmung bringen und die Vorgänge daselbst
richtig angeben können, bisweilen aber sogar vermögen, das noch
gar nicht Vorhandene, sondern noch im Schoße der Zukunft Liegende
vorher zu verkündigen. Denn alles Hellsehen ist durchaus nichts Anderes,
als ein Wahrträumen. (P. I, 267 fg.)
8) Die prophetischen Träume.
Das anhaltende und zusammenhängende Wahrträumen, welches durch den somnambulen Schlaf möglich wird, weil dieser ein ungleich tieferer, vollkommener, als der gewöhnliche ist, und deshalb das Traumorgan zur Entwicklung seiner ganzen Fähigkeit gelangen lässt, findet wahrscheinlich bisweilen auch im gewöhnlichen Schlafe Statt, aber gerade nur dann, wann er so tief ist, dass wir nicht unmittelbar aus ihm erwachen. Die Träume, aus denen wir erwachen, sind hingegen die des leichteren Schlafes; sie sind aus bloß somatischen, dem eigenen Organismus angehörigen Ursachen entsprungen, daher ohne Beziehung zur Außenwelt. Dass es jedoch hiervon Ausnahmen gibt, beweisen die Träume, welche die unmittelbare Umgebung des Schlafenden darstellen. Jedoch auch von Träumen, die das in der Ferne Geschehende, ja das Zukünftige verkündigen, gibt es ausnahmsweise eine Erinnerung, und zwar hängt diese davon ab, dass wir unmittelbar aus einem solchen Traum erwachen. Am öftesten bewähren sich als prophetisch solche Träume, welche sich auf den Gesundheitszustand des Träumenden beziehen. Nächstdem werden auch äußere Unfälle, wie Feuersbrünste, Pulverexplosionen, Schiffbrüche, besonders aber Todesfälle, bisweilen durch Träume angekündigt. Zur Zurückführung der prophetischen Träume auf ihre nächste Ursache bietet sich uns der Umstand dar, dass sowohl vom natürlichen, als auch vom magnetischen Somnambulismus und seinen Vorgängen bekanntlich keine Erinnerung im wachen Bewusstsein Statt findet, wohl aber bisweilen eine solche in die Träume des natürlichen, gewöhnlichen Schlafes, deren man sich nachher wachend erinnert, übergeht; so dass alsdann der Traum das Verbindungsglied, die Brücke wird zwischen dem somnambulen und dem wachen Bewusstsein. Diesem also gemäß müssen wir die prophetischen Träume zuvörderst Dem zuschreiben, dass im tiefen Schlafe das Träumen sich zu einem somnambulen Hellsehen steigert. Da nun aber aus Träumen dieser Art in der Regel kein unmittelbares Erwachen und eben deshalb keine Erinnerung Statt findet; so sind die, eine Ausnahme hiervon machenden und also das Kommende unmittelbar und sensu proprio vorbildenden Träume, welche (von Artemidoros im Oneirokritikon) die theorematischen genannt werden, die allerseltensten. Hingegen wird öfter von einem Traum solcher Art, wenn sein Inhalt dem Träumenden sehr angelegen ist, dieser sich eine Erinnerung dadurch zu erhalten im Stande sein, dass er sie in den Traum des leichteren Schlafes, aus dem sich unmittelbar erwachen lässt, hinübernimmt; jedoch kann dieses alsdann nicht unmittelbar, sondern nur mittelst Übersetzung des Inhalts in eine Allegorie geschehen, in deren Gewand gehüllt nunmehr der ursprüngliche, prophetische Traum ins wachende Bewusstsein gelangt, wo er folglich dann noch der Auslegung, Deutung bedarf. Dies also ist die andere und häufigere Art der fatidiken Träume, die allegorische. (P. I, 268—271.)9) Unterschied zwischen dem Traum und den ihm verwandten Erscheinungen.
Traum, somnambules Wahrnehmen, Hellsehen, Vision, Zweites Gesicht und Geistersehen sind nahe verwandte Erscheinungen. Das Gemeinsame derselben ist, dass wir, ihnen verfallen, eine sich objektiv darstellende Anschauung durch ein ganz anderes Organ, als im gewöhnlichen wachen Zustande, erhalten; nämlich nicht durch die äußern Sinne, dennoch aber ganz genau und eben so, wie mittelst dieser. Was sie hingegen von einander unterscheidet, ist die Verschiedenheit ihrer Beziehung zu der durch die Sinne wahrnehmbaren, empirisch-realen Außenwelt. Diese nämlich ist beim Traum in der Regel gar keine und sogar bei den seltenen fatidiken Träumen doch meisten nur eine mittelbare und entfernte, sehr selten eine direkte. Hingegen ist jene Beziehung bei der somnambulen Wahrnehmung und dem Hellsehen, wie auch beim Nachtwandeln, eine unmittelbare und ganz richtige, bei der Vision und dem Geistersehen eine problematische. (P. I, 289 fg.)
Was den gewöhnlichen, nächtlichen Traum vom Hellsehen, oder dem
Schlafwachen überhaupt, unterscheidet, ist erstlich die Abwesenheit des
dem letzteren eigentümlichen, als Wahrträumen sich kundgebenden
Verhältnisses zur Außenwelt, also zur Realität (vergl. Wahrträumen);
und zweitens, dass sehr oft eine Erinnerung von ihm ins Wachen
übergeht, während aus dem somnambulen Schlaf eine solche nicht stattfindet.
(P. I, 268.)