1) Aufgabe und Erfordernisse des Schauspielers.
Die Aufgabe des Schauspielers ist, die menschliche Natur darzustellen
nach ihren verschiedensten Seiten, in tausend höchst verschiedenen Charakteren,
diese alle jedoch auf der gemeinsamen Grundlage seiner ein
für alle Mal gegebenen und nie ganz auszulöschenden Individualität.
Deshalb muss er selbst ein tüchtiges und komplettes Exemplar der
menschlichen Natur sein. Zu einem guten Schauspieler gehört
1) dass
er die Gabe habe, sein Inneres nach außen kehren zu können;
2) dass er
hinreichende Phantasie habe, um fingierte Umstände und Begebenheiten
so lebhaft zu imaginieren, dass sie sein Inneres erregen;
3) dass er
Verstand, Erfahrung und Bildung in dem Maße habe, um menschliche
Charaktere und Verhältnisse gehörig verstehen zu können. (
P.
II, 469.)
2) Welchen Charakter der Schauspieler am besten darstellt.
Wegen der Unveräußerlichkeit der eigenen Individualität wird ein
Schauspieler jeden Charakter um so trefflicher darstellen, je näher derselbe
seiner eigenen Individualität steht, und am besten den, der mit
dieser zusammentrifft; daher auch der schlechteste Schauspieler eine Rolle
hat, die er vortrefflich spielt; denn da ist er, wie ein lebendiges Gesicht
unter Masken. (
P. II, 469.)
4) Erklärung der Häufigkeit des Wahnsinns bei Schauspielern.
Die Erfahrung lehrt, dass Wahnsinn verhältnismäßig am häufigsten
bei Schauspielern eintritt. Welchen Missbrauch treiben aber auch diese
Leute mit ihrem Gedächtnis! Täglich haben sie eine neue Rolle einzulernen,
oder eine alte aufzufrischen; diese Rollen sind aber sämtlich
ohne Zusammenhang, ja, im Widerspruch und Kontrast mit einander,
und jeden Abend ist der Schauspieler bemüht, sich selbst ganz zu vergessen,
um ein völlig Anderer zu sein. Dergleichen bahnt geradezu
den Weg zum Wahnsinn. (
W. II, 455.)