Kleidung.
1) Die Kleidung als allegorischer Ausdruck des Fundamentalunterschiedes zwischen Mensch und Tier.
Es gibt in der Welt nur ein lügenhaftes Wesen: es ist der Mensch. Jedes andere ist wahr und aufrichtig, indem es sich unverhohlen gibt als Das, was es ist, und sich äußert, wie es sich fühlt. Ein emblematischer, oder allegorischer Ausdruck dieses Fundamentalunterschiedes ist, dass alle Tiere in ihrer natürlichen Gestalt umhergehen, was viel beiträgt zu dem so erfreulichen Eindruck ihres Anblicks; während der Mensch durch Kleidung zu einem Fratz, einem Monstrum geworden ist, dessen Anblick schon dadurch widerwärtig ist. — Die Griechen beschränkten die Kleidung möglichst, weil sie es fühlten. (P. II, 618. 171.)2) Gegensatz zwischen unserer Kleidung und der Kleidung der Alten.
Fast auf alle unsere Stellungen und Gebärden hat unsere Kleidung einen gewissen Einfluss, nicht eben so die der Alten, welche vielleicht ihrem ästhetischen Sinne gemäß, durch das Vorgefühl eines solchen Übelstands mit bewogen wurden, ihre weite, nicht anschließende Kleidung beizubehalten. Deshalb hat ein Schauspieler, wann er antikes Kostüm trägt, alle die Bewegungen und Stellungen zu vermeiden, welche irgend wie durch unsere Kleidung veranlasst und dann zur Gewohnheit geworden sind; doch braucht er deshalb sich nicht zu spreizen und zu blähen, wie ein französischer, seinen Racine tragierender Hanswurst in Toga und Tunika. (P. II, 438.)
Der edle Sinn und Geschmack der Alten suchte den aus der Bekleidung
entspringenden Übelstand (die Fratzenhaftigkeit) dadurch zu
mildern, dass die Bekleidung möglichst leicht war und so gestaltet, dass
sie nicht, eng anschließend, mit dem Leibe zu Eins verschmolz, sondern
als ein Fremdes aufliegend gesondert blieb und die menschliche Gestalt
in allen Teilen möglichst deutlich erkennen ließ. Durch den entgegengesetzten
Sinn ist die Kleidung des Mittelalters und der neuen Zeit
geschmacklos, barbarisch und widerwärtig. Aber das Widerwärtigste
ist die heutige Kleidung der, Damen genannten Weiber, welche, der
Geschmacklosigkeit ihrer Urgroßmütter nachgeahmt, die möglichst große
Entstellung der Menschengestalt liefert. (P. II, 171.)