Religionsphilosophie.
Den beiden Arten der Metaphysik, Religion und Philosophie (vergl.
unter Metaphysik: Unterschied zweier Arten der Metaphysik), wäre
es am zuträglichsten, dass jede von der anderen rein gesondert bliebe und
sich auf ihrem eigenen Gebiete hielte, um daselbst ihr Wesen vollkommen
entwickeln zu können. Statt dessen ist man schon das ganze
christliche Zeitalter hindurch bemüht, vielmehr die Fusion beider zu bewerkstelligen,
indem man die Dogmen und Begriffe der einen in die
andere überträgt, wodurch man beide verdirbt. Am unverhohlensten ist
dies in unseren Tagen geschehen in jenem seltsamen Zwitter oder Kentauren,
der sogenannten Religionsphilosophie, welche als eine Art
Gnosis bemüht ist, die gegebene Religion zu deuten und das sensu
allegorico Wahre durch ein sensu proprio Wahres auszulegen. Allein
dazu müsste man die Wahrheit sensu proprio schon kennen und besitzen;
alsdann aber wäre jene Deutung überflüssig. Denn bloß aus
der Religion die Metaphysik, d. h. die Wahrheit sensu proprio, durch
Auslegung und Umdeutung erst finden zu wollen, wäre ein missliches
und gefährliches Unternehmen, zu welchem man sich nur dann entschließen
könnte, wenn es ausgemacht wäre, dass die Wahrheit, gleich
dem Eisen und anderen unedlen Metallen, nur im vererzten, nicht im
gediegenen Zustande vorkommen könne, daher man sie nur durch Reduktion
aus der Vererzung gewinnen könnte. (W. II, 185. Vergl.
unter Philosophie: Gegensatz zwischen Philosophie und Theologie.)