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Schopenhauers Kosmos

 

 Rechtslehre.

1) Die reine Rechtslehre.

Die reine Rechtslehre ist ein Kapitel der Moral und bezieht sich direkt bloß auf das Thun, nicht auf das Leiden. Denn nur jenes ist Äußerung des Willens, und diesen allein betrachtet die Moral. Leiden ist bloß Begebenheit; bloß indirekt kann die Moral auch das Leiden berücksichtigen, nämlich allein um nachzuweisen, dass, was bloß geschieht, um kein Unrecht zu leiden, kein Unrechttun ist. — Die Ausführung jenes Kapitels der Moral würde zum Inhalt haben die genaue Bestimmung der Grenze, bis zu welcher ein Individuum in der Bejahung des schon in seinem Leibe objektivierten Willens gehen kann, ohne dass dieses zur Verneinung eben jenes Willens, sofern er in einem anderen Individuum erscheint, werde, und sodann auch der Handlungen, welche diese Grenze überschreiten, folglich Unrecht sind und daher auch wieder ohne Unrecht abgewehrt werden können. Immer also bliebe das eigene Tun das Augenmerk der Betrachtung. (W. I, 404.)

2) Verhältnis der reinen Rechtslehre zur positiven Gesetzgebung.

Die reine Rechtslehre, oder das Naturrecht, besser moralisches Recht, liegt jeder rechtlichen positiven Gesetzgebung so zum Grunde, wie die reine Mathematik jedem Zweige der angewandten. Die wichtigsten Punkte der reinen Rechtslehre, wie die Philosophie sie der Gesetzgebung zu überliefern hat, sind folgende: 1) Erklärung der inneren und eigentlichen Bedeutung und des Ursprungs der Begriffe Unrecht und Recht, und ihrer Anwendung und Stelle in der Moral. 2) Die Ableitung des Eigentumsrechts. 3) Die Ableitung der moralischen Gültigkeit der Verträge, da diese die moralische Grundlage des Staatsvertrages ist. 4) Die Erklärung der Entstehung und des Zweckes des Staates, des Verhältnisses dieses Zweckes zur Moral und der in Folge dieses Verhältnisses zweckmäßigen Übertragung der moralischen Rechtslehre, durch Umkehrung, auf die Gesetzgebung. (Vergl. Gesetzgebung.) 5) Die Ableitung des Strafrechtes. (W. I, 409 fg.)