Gesetzgebung.
Aller positiven Gesetzgebung vorhergehend und folglich von ihr unabhängig
sind die Begriffe Unrecht und Recht, als gleichbedeutend
mit Verletzung und Nichtverletzung. Es gibt folglich ein rein ethisches
Recht, oder Naturrecht, und eine reine, d. h. von aller positiven Satzung
unabhängige Rechtslehre. Die Rechtslehre ist ein Teil der Moral,
welcher die Handlungen feststellt, die man nicht ausüben darf, wenn
man nicht Andere verletzen, d. h. Unrecht begehen will. Die Moral
hat also hierbei den aktiven Teil im Auge. Die Gesetzgebung aber
nimmt dieses Kapitel der Moral, um es in Rücksicht auf die passive
Seite, also umgekehrt, zu gebrauchen und die selben Handlungen zu
betrachten als solche, die Keiner, da ihm kein Unrecht widerfahren soll,
zu leiden braucht. Gegen diese Handlungen errichtet nun der Staat
das Bollwerk der Gesetze, als positives Recht. Seine Absicht ist, dass
Keiner Unrecht leide; die Absicht der moralischen Rechtslehre hingegen,
dass Keiner Unrecht tue. (E. 218 fg. W. I, 409.)