1) Unechtheit der zur Schau getragenen Rechtlichkeit.
Man würde sich in einem großen und sehr jugendlichen Irrtum
befinden, wenn man glaubte, dass alle gerechte und legale Handlungen
der Menschen moralischen Ursprungs wären. Vielmehr ist zwischen
der Gerechtigkeit, welche die Menschen ausüben, und der echten Redlichkeit
des Herzens meistens ein analoges Verhältnis, wie zwischen den
Äußerungen der Höflichkeit und der echten Liebe des Nächsten, welche
nicht, wie jene, zum Schein, sondern wirklich den Egoismus überwindet.
Die überall zur Schau getragene Rechtlichkeit der Gesinnung, welche
über jeden Zweifel erhaben sein will, nebst der hohen Indignation,
welche durch die leiseste Andeutung eines Verdachtes in dieser Hinsicht
rege wird und bereit ist, in den feurigsten Zorn überzugehen, — dies
Alles wird nur der Unerfahrene und Einfältige sofort für bare Münze
und Wirkung eines zarten moralischen Gefühls oder Gewissens nehmen.
(
E. 187. Vergl.
Ehrlichkeit.)
2) Worauf die im Verkehr ausgeübte Rechtlichkeit beruht.
In Wahrheit beruht die allgemeine, im menschlichen Verkehr ausgeübte
und als felsenfeste Maxime behauptete Rechtlichkeit hauptsächlich
auf zwei äußeren Notwendigkeiten: erstlich auf der gesetzlichen Ordnung,
mittelst welcher die öffentliche Gewalt die Rechte eines Jeden schützt,
und zweitens auf der erkannten Notwendigkeit des guten Namens, oder
der bürgerlichen Ehre, zum Fortkommen in der Welt. (
E. 187—190.)