1) Ehrlichkeit existiert, aber als Ausnahme.
Wer alt ist, denke zurück an alle Die, mit welchen er zu tun
gehabt hat; wie viele wirklich und wahrhaft ehrliche Leute werden ihm
vorgekommen sein? Waren nicht bei Weitem die Meisten, trotz ihrem
schamlosen Auffahren beim leisesten Verdacht einer Unredlichkeit, oder
nur Unwahrheit, gerade heraus gesagt, das wirkliche Gegenteil?
(
W. II, 732.)
Es gibt in der Tat wahrhaft ehrliche Leute, — wie es auch
wirklich vierblätterigen Klee gibt; aber Hamlet spricht ohne Hyperbel,
wenn er sagt: Nach dem Laufe dieser Welt heißt ehrlich sein ein
aus Zehntausend Auserwählter sein. (
E. 191. 203.)
2) Wesen der wahrhaft ehrlichen Leute.
Diejenigen, die gerecht handeln einzig und allein damit dem Andern
kein Unrecht geschehe, ja, denen gleichsam der Grundsatz, dem Andern
sein Recht widerfahren zu lassen, angeboren ist, die daher Niemanden
absichtlich zu nahe treten, die ihren Vorteil nicht unbedingt suchen,
sondern dabei auch die Rechte Anderer berücksichtigen, die bei gegenseitig
übernommenen Verpflichtungen nicht bloß darüber wachen, dass der
Andere das Seinige leiste, sondern auch darüber, dass er das Seinige
empfange, indem sie aufrichtig nicht wollen, dass, wer mit ihnen handelt,
zu kurz komme — dies sind die wahrhaft ehrlichen Leute, die
wenigen
Aequi unter der Unzahl der
Iniqui. (
E. 203.)