1) Das Problem der Päderastie.
An sich selbst betrachtet stellt die Päderastie sich dar als eine nicht
bloß widernatürliche, sondern auch im höchsten Grade widerwärtige und
Abscheu erregende Monstrosität, eine Handlung, auf welche allein eine
völlig perverse, verschrobene und entartete Menschennatur irgend einmal
hätte geraten können, und die sich höchstens in ganz vereinzelten Fällen
wiederholt hätte. Wenden wir nun aber uns an die Erfahrung; so
finden wir das Gegenteil hiervon. Wir sehen nämlich dieses Laster,
trotz seiner Abscheulichkeit, zu allen Zeiten und in allen Ländern der
Welt, völlig im Schwange und in häufiger Ausübung. Diese gänzliche
Allgemeinheit und beharrliche Unausrottbarkeit des zuerst nur als irregeleiteter
Instinkt erscheinenden Lasters beweist, dass dasselbe irgendwie
aus der menschlichen Natur selbst hervorgeht, da es nur aus diesem
Grunde jederzeit und überall unausbleiblich auftreten kann. Dass nun
aber etwas so von Grund aus Naturwidriges aus der Natur selbst
hervorgehen sollte, ist ein Problem, das der Lösung bedarf. (
W. II,
642—644.)
2) Lösung des Problems.
Die Zeugung im Alter der absterbenden Manneskraft würde schwache,
stumpfe, sieche, elende und kurz lebende Menschen in die Welt setzen.
Nun liegt aber der Natur nichts so sehr am Herzen, wie die Erhaltung
der Spezies und ihres echten Typus, wozu wohlbeschaffene,
tüchtige, kräftige Individuen das Mittel sind. Da sie doch aber, ihrem
Grundsatze
natura non facit saltus zufolge, die Samenabsonderung
des Mannes nicht plötzlich einstellen konnte, sondern auch hier, wie
bei jedem Absterben, allmähliche Deterioration vorhergehen musste; so sah
sie sich, um ihren Zweck zu erreichen, genötigt, ihr beliebtes Werkzeug,
den Instinkt, in ihr Interesse zu ziehen, welches nun aber hier nur
dadurch geschehen konnte, dass sie ihn irre leitete. Die päderastische
Neigung führt Gleichgültigkeit gegen die Weiber mit sich, welche mehr
und mehr zunimmt, zur Abneigung wird und endlich bis zum Widerwillen
anwächst. Die Natur erreicht also dadurch, dass, je mehr im
Manne die Zeugungskraft abnimmt, desto entschiedener jene widernatürliche
Richtung derselben wird, ihren eigentlichen Zweck. Dem
entsprechend finden wir die Päderastie durchgängig als ein Laster alter
Männer. Während also die Päderastie den Zwecken der Natur gerade
entgegenzuwirken scheint, muss sie vielmehr eben diesen Zwecken, wiewohl
nur mittelbar, dienen, als Abwendung größerer Übel. Die in Folge
ihrer eigenen Gesetze in die Enge getriebene Natur griff mittelst
Verkehrung des Instinkts zu einem Notbehelf, einem Stratagem, um
von zweien Übeln dem größeren zu entgehen. Sie hat nämlich den
richtigen Zweck im Auge, unglücklichen Zeugungen vorzubeugen, welche
allmählich die ganze Spezies depravieren könnten, und da sie das
eigentlich Moralische bei ihrem Treiben nicht in Anschlag bringt, so ist
sie nicht skrupulös in der Wahl der Mittel. (
W. II, 618. 644—648.)
3) Der wahre und letzte Grund der Verwerflichkeit der Päderastie.
Der wahre, letzte, tief metaphysische Grund der Verwerflichkeit der
Päderastie ist dieser, dass, während der Wille zum Leben sich darin
bejaht, die Folge solcher Bejahung, welche den Weg zur Erlösung
offen hält, also die Erneuerung des Lebens gänzlich abgeschnitten ist.
(
W. II, 648 fg.) Alle widernatürlichen Geschlechtsbefriedigungen sind
verdammlich, weil durch sie dem Triebe willfahren, also der Wille zum
Leben bejaht wird, die Propagation aber wegfällt, welche doch allein
die Möglichkeit der Verneinung des Willens offen erhält. (
P. II, 340.)
4) Verletzung der Gerechtigkeit durch die Päderastie.
Während die Onanie mehr Gegenstand der Diätetik, als der Ethik
ist (vergl.
Onanie), so fällt dagegen die Päderastie der Ethik anheim,
wo sie bei Abhandlung der Gerechtigkeit ihre Stelle findet. Diese
nämlich wird durch sie verletzt, und kann hiergegen das
volenti non
fit injuria nicht geltend gemacht werden; denn das Unrecht besteht in
der Verführung des jüngeren und unerfahrenen Teils, welcher physisch
und moralisch dadurch verdorben wird. (
E. 128 fg.)