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Schopenhauers Kosmos

 

 Nominalismus und Realismus.

1) Gegenstand und Ursprung des Streites zwischen den Nominalisten und Realisten.

Die Begriffe sind jene Universalien, um deren Daseinsweise sich im Mittelalter der lange Streit der Nominalisten und Realisten drehte. (G. 102. 142.) Gewiss ist der Realismus der Scholastiker entstanden aus der Verwechslung der Platonischen Ideen, als welchen, da sie zugleich die Gattungen sind, allerdings ein objektives, reales Sein beigelegt werden kann, mit den bloßen Begriffen, welchen nun die Realisten ein solches beilegen wollten, und dadurch die siegreiche Opposition des Nominalismus hervorriefen. (W. II, 417.)

2) Gegenseitige Berechtigung des Nominalismus und Realismus.

Die gegenseitige Berechtigung des Realismus und Nominalismus lässt sich folgendermaßen fasslich machen. Die verschiedenartigsten Dinge nenne ich rot. Offenbar ist rot ein bloßer Name zur Bezeichnung dieser bestimmten Farbe, wo sie auch vorkomme. Eben so nun sind alle Gemeinbegriffe bloße Namen, Eigenschaften zu bezeichnen, die an verschiedenen Dingen vorkommen; diese Dinge hingegen sind das Reale. So hat der Nominalismus offenbar Recht. Hingegen, wenn wir beachten, dass alle jene wirklichen Dinge, welchen allein die Realität so eben zugesprochen wurde, zeitlich sind, folglich bald untergehen, während die Eigenschaften wie rot, hart, weich, lebendig, Pflanze, Pferd, Mensch, davon unangefochten fortbestehen und demzufolge allezeit da sind; so finden wir, dass diese durch Gemeinbegriffe gedachten Eigenschaften kraft ihrer unvertilgbaren Existenz viel mehr Realität haben, dass mithin diese den Begriffen, nicht den Einzelwesen beizulegen sei; demnach hat der Realismus Recht. Der Nominalismus gehört eigentlich zum Materialismus; denn nach Aufhebung sämtlicher Eigenschaften bleibt am Ende nur die Materie übrig.
Genau genommen nun aber kommt die dargelegte Berechtigung des Realismus eigentlich nicht ihm, sondern der Platonischen Ideenlehre zu, deren Erweiterung er ist. Die Ideen sind das unter allem Wechsel der Individuen Fortbestehende, haben daher eine höhere Realität, als diese. Hingegen den bloßen Abstrakta (den Begriffen) ist Dies nicht nachzurühmen. (P. I, 70 fg. Vergl. Idee und das Allgemeine.)

3) Polares Auseinandertreten der menschlichen Denkweise im Realismus und Nominalismus.

Eine gewisse Verwandtschaft, oder wenigstens ein Parallelismus der Gegensätze wird augenfällig, wenn man den Platon dem Aristoteles, den Augustinus dem Pelagius, die Realisten den Nominalisten gegenüberstellt. Man könnte behaupten, dass gewissermaßen ein polares Auseinandertreten der menschlichen Denkweise hierin sich kund gäbe. (P. I, 71. W. I, 566.)