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Schopenhauers Kosmos

 

 Nichts.

1) Relativität des Begriffs des Nichts.

Der Begriff des Nichts ist wesentlich relativ und bezieht sich immer nur auf ein bestimmtes Etwas, welches er negiert. Man hat diese Eigenschaft nur dem nihil privativum, welches das im Gegensatz eines + mit — Bezeichnete ist, zugeschrieben, welches —, bei umgekehrtem Gesichtspunkte, zu + werden könnte, und hat im Gegensatz zu diesem nihil privativum das nihil negativum aufgestellt, welches in jeder Beziehung Nichts wäre, wozu man als Beispiel den logischen, sich selbst aufhebenden Widerspruch gebraucht. Näher betrachtet aber ist kein absolutes Nichts auch nur denkbar. Selbst ein logischer Widerspruch ist nur ein relatives Nichts. Er ist kein Gedanke der Vernunft; aber er ist darum kein absolutes Nichts. (W. I, 484.) Das Nichts vor der Geburt und nach dem Tode, dieses empirische Nichts, ist keineswegs ein absolutes, d. h. ein solches, welches in jedem Sinne nichts wäre. (W. II, 548. Vergl. Entstehen und Vergehen und Tod.)

2) Das nach Verneinung der Welt übrig bleibende Nichts.

Auch nach Negation des allgemein als positiv Angenommenen, welches wir das Seiende nennen, bleibt kein absolutes Nichts übrig, sondern nur ein relatives. Ein Wechsel des Standpunkts würde die Zeichen vertauschen lassen und das für uns Seiende (die Welt der Vorstellung, d. i. die Objektität des Willens) als das Nichts und das Nichts derselben als das Seiende zeigen. Was nach gänzlicher Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle Die, welche noch des Willens voll sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist Denen, in welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihrer Sonnen und Milchstraßen — Nichts. So lange wir der Wille zum Leben sind, kann freilich das nach Verneinung der Welt Übrigbleibende von uns nur negativ erkannt und bezeichnet werden. (W. I, 485—487.)

3) Grund des Abscheus vor dem Nichts und Gegenmittel gegen denselben.

Das, was sich gegen die Verneinung der Welt als ein Zerfließen ins Nichts sträubt, unsere Natur, ist ja eben nur der Wille zum Leben, der wir selbst sind, wie er unsere Welt ist. Dass wir so sehr das Nichts verabscheuen, ist nichts weiter, als ein anderer Ausdruck davon, dass wir so sehr das Leben wollen, und nichts sind, als dieser Wille, und nichts kennen, als eben ihn. Durch Betrachtung des Lebens und Wandels der Heiligen haben wir den finsteren Eindruck jenes Nichts zu verscheuchen. (W. I, 486 fg.)