1) Verschiedene Geltung des Mutes als Tugend bei den Alten und bei den Neueren.
Die Alten zählten den Mut den Tugenden, die Feigheit den Lastern
bei; dem christlichen Sinne, der auf Wohlwollen und Dulden gerichtet
ist, und dessen Lehre alle Feindseligkeit, eigentlich sogar den Widerstand
verbietet, entspricht Dies nicht, daher es bei den Neuren weggefallen
ist. Dennoch müssen wir zugeben, dass Feigheit uns mit einem edlen
Charakter nicht wohl verträglich scheint; schon wegen der übergroßen
Besorglichkeit um die eigene Person, welche sich darin verrät. (
P. II,
219.) Bei der verschiedenen Geltung des Mutes als Tugend bei den
Alten und den Neuren ist jedoch in Erwägung zu ziehen, dass die
Alten unter Tugend jede Trefflichkeit, sie mochte moralisch, Intellektuell
oder bloß physisch sein, verstanden, im Christentum hingegen, dessen
Tendenz eine moralische ist, unter dem Begriff der Tugend nur noch
die moralischen Vorzüge gedacht wurden. (
P. II, 220.)
2) Worauf der ethische Wert des Mutes und die Hochschätzung desselben beruht.
Der Mut lässt sich darauf zurückführen, dass man den im gegenwärtigen
Augenblicke drohenden Übeln willig entgegengeht, um dadurch
größeren, in der Zukunft liegenden vorzubeugen; während die Feigheit
es umgekehrt hält. Nun ist jenes Erstere der Charakter der Geduld,
als welche eben in dem deutlichen Bewusstsein besteht, dass es noch
größere Übel, als die eben gegenwärtigen, gibt und man durch heftiges
Fliehen, oder Abwehren dieser jene herbeiziehen könnte. Demnach wäre
denn der Mut eine Art Geduld, und weil eben diese es ist, die uns
zu Entbehrungen und Selbstüberwindungen jeder Art befähigt; so ist,
mittelst ihrer, auch der Mut wenigstens der Tugend verwandt. Doch
reicht eine solche ganz immanente, also rein empirische Erklärung, die
nur auf der Nützlichkeit des Mutes fußt, nicht aus, um zu erklären,
weshalb Feigheit verächtlich, persönlicher Mut hingegen edel und erhaben
erscheint. Vielmehr ist hierzu noch eine höhere Betrachtungsweise
zu Grunde zu legen. Man könnte nämlich alle Todesfurcht
zurückführen auf einen Mangel an derjenigen natürlichen, daher auch
bloß gefühlten Metaphysik, vermöge welcher der Mensch die Gewissheit
in sich trägt, dass er in Allen, ja in Allem, eben so wohl existiert, wie
in seiner eigenen Person, deren Tod ihm daher wenig anhaben kann.
Eben aus dieser Gewissheit hingegen entspränge demnach der heroische
Mut, folglich aus derselben Quelle, wie die Tugenden der Gerechtigkeit
und der Menschenliebe. (
P. II, 219 fg.
H. 403 fg.)
3) Verwerflichkeit des rohen, aus dem ritterlichen Ehrenprinzip entspringenden Mutes.
Nach dem ritterlichen Ehrenprinzip und seinem Duellwesen behauptet
der persönliche Mut sich zu raufen und zu schlagen den Vorrang vor
jeder anderen Eigenschaft; während er doch eigentlich eine sehr untergeordnete,
eine bloße Unteroffizierstugend ist, ja, eine, in welcher sogar
Tiere uns übertreffen. (
P. I, 405. — Vergl. unter
Ehre: eine
Afterart der Ehre.)
4) Notwendigkeit des Mutes für unser Glück.
Nächst der Klugheit ist Mut eine für unser Glück sehr wesentliche
Eigenschaft. Freilich kann man weder die eine, noch die andere sich
geben, sondern ererbt jene von der Mutter und diesen vom Vater;
jedoch lässt sich durch Vorsatz und Übung dem davon Vorhandenen
nachhelfen. — So lange der Ausgang einer gefährlichen Sache nur
noch zweifelhaft ist, so lange nur noch die Möglichkeit, dass er ein
glücklicher werde, vorhanden ist, darf an kein Zagen gedacht werden,
sondern bloß an Widerstand. Und doch ist auch hier ein Exzess möglich;
denn der Mut kann in Verwegenheit ausarten. (
P. I, 505 fg.)