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Schopenhauers Kosmos

 

 Grobheit.

1) Grobheit als Gegensatz der Höflichkeit.

Höflichkeit ist nur eine grinsende Maske. Wenn aber Einer grob wird, da ist es, als hätte er die Kleider abgeworfen und stände in puris naturalibus da. Freilich nimmt er sich dann, wie die meisten Menschen, in diesem Zustande schlecht aus. (P. I, 493.)

2) Grobheit als instinktiver Kunstgriff beim Disputieren und Gegenregel gegen denselben.

Sophisten wenden dem überlegenen Gegner gegenüber, der ihnen ihre Sophistik nachweist, erst Schliche und Schikanen an und werden dann schließlich grob und beleidigend. Denn dies ist das Mittel, durch welches Jeder sich Jedem gleich setzen und selbst die größte Intellektuelle Ungleichheit augenblicklich ausgleichen kann. Zu diesem Mittel fühlt daher die niedrige Natur eine sogar instinktive Aufforderung, sobald sie geistige Überlegenheit zu spüren anfängt. (P. I, 47.) Das Persönlichwerden, bei welchem man den Gegenstand des Streites ganz verlässt und seinen Angriff auf die Person des Gegners richtet, indem man kränkend, hämisch, beleidigend, grob wird, ist ein sehr beliebter eristischer Kunstgriff, weil Jeder zur Ausführung tauglich ist. (H. 34.)
Gelassenheit und Kaltblütigkeit ist gegen diesen Kunstgriff nicht ausreichend, ist auch nicht Jedem gegeben. Die einzig sichere Gegenregel ist: Nicht mit dem Ersten dem Besten zu disputieren, sondern allein mit Solchen, die man als verständig und als empfänglich für Gegengründe und für Wahrheit, auch wenn sie aus dem Munde des Gegners kommt, kennt. (H. 34 fg.)

3) Die ritterliche Empfindlichkeit gegen Grobheit.

Das ritterliche Ehrenprinzip fordert für Beleidigungen blutige Rache. Wahre Selbstschätzung hingegen verleiht, den Injurien gegenüber, Gleichgültigkeit. Wenn man demnach nur erst den Aberglauben des ritterlichen Ehrenprinzips los wäre, so dass Niemand mehr vermeinen dürfte, durch Schimpfen irgend etwas der Ehre eines Andern nehmen oder der seinigen wiedergeben zu können, auch nicht mehr jede Rohheit oder Grobheit sogleich legitimiert werden könnte durch die Bereitwilligkeit, Satisfaktion zu geben, d. h. sich dafür zu schlagen; so würde bald die Einsicht allgemein werden, dass, wenn es ans Schmähen und Schimpfen geht, der in diesem Kampfe Besiegte der Sieger ist. Ferner würde in der Gesellschaft der wahre gute Ton herbeigeführt werden; die physische Courage würde nicht mehr den Primat über die geistige Überlegenheit haben, und die vorzüglichen Menschen nicht mehr von der Gesellschaft zurückgeschreckt werden. (P. I, 406 fg. Vergl. auch Empfindlichkeit.)