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Schopenhauers Kosmos

 

 Geschlechtsverhältnis.

1) Die Rolle, welche das Geschlechtsverhältnis im Menschenleben spielt.

Der Bedeutung und Macht des Geschlechtstriebes entspricht die wichtige Rolle, welche das Geschlechtsverhältnis in der Menschenwelt spielt, als wo es eigentlich der unsichtbare Mittelpunkt alles Thuns und Treibens ist und trotz allen ihm übergeworfenen Schleiern überall hervorguckt. Es ist die Ursache des Krieges und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen Anspielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausgesprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke, das tägliche Dichten und Trachten der Jungen und oft auch der Alten, der stündliche Gedanke des Unkeuschen und die gegen seinen Willen stets wiederkehrende Träumerei des Keuschen, der allezeit bereite Stoff zum Scherz, eben nur, weil ihm der tiefste Ernst zum Grunde liegt. (W. II, 586.) Dass die Geschlechtsverhältnisse den leichtesten, jederzeit bereit liegenden und auch dem schwächsten Witz erreichbaren Stoff zum Scherze abgeben, wie die Häufigkeit der Zoten beweist, könnte nicht sein, wenn nicht der tiefste Ernst gerade ihnen zum Grunde läge. (W. II, 109.)

2) Die aus dem Geschlechtsverhältnis hervorgehenden Verbindlichkeiten.

Als eine besondere Rubrik des Unrechts könnte man die Verletzung der aus den Sexualverhältnissen hervorgehenden Verbindlichkeiten ansehen. Der Mann ist von der Natur gegen das Weib körperlich und geistig bedeutend bevorzugt. Also ist offenbar, dass, wenn der Mann die Vorzüge, welche die Natur so parteiisch auf seine Seite warf, nicht kompensieren wollte dadurch, dass er für das Weib und die Kinder die Sorge auf sich nimmt, er in der Befriedigung seines Geschlechtstriebes seinen Willen zum Leben bejahte und dabei zugleich den Willen des weiblichen Individuums verneinte, also Unrecht ausübte. — Jede Geschlechtsbefriedigung ohne Übernahme der Verbindlichkeit, für Weib und Kinder zu sorgen, ist Unrecht, d. h. Bejahung des eigenen Willens vermittelst Verneinung des fremden, im weiblichen Individuum erscheinenden.
Aus dieser Verbindlichkeit des Mannes geht notwendig die des Weibes hervor, ihm treu zu sein, so wie wiederum aus ihrer Verbindlichkeit zur Treue die seinige hervorgeht, ihr treu zu sein. Hieraus ist jedoch nicht die Monogamie zu folgern. (H. 377—379. In Betreff der Monogamie vergl. Ehegesetze unter Ehe.)