rel='stylesheet' type='text/css'>
Schopenhauers Kosmos

 

 Gedankenassoziation.

1) Wurzel der Gedankenassoziation.

Die Gegenwart der Vorstellungen und Gedanken in unserm Bewusstsein ist dem Satz vom Grunde in seinen verschiedenen Gestalten so streng unterworfen, wie die Bewegung der Körper dem Gesetze der Kausalität. So wenig ein Körper ohne Ursache in Bewegung geraten kann, ebenso wenig ist es möglich, dass ein Gedanke ohne Anlass ins Bewusstsein trete. Der Anlass ist nun entweder ein äußerer, also ein Eindruck auf die Sinne; oder ein innerer, also selbst wieder ein Gedanke, der einen anderen herbeiführt vermöge der Assoziation. Die Gedankenassoziation ist demnach nichts Anderes als die Anwendung des Satzes vom Grunde in seinen verschiedenen Gestalten auf den subjektiven Gedankenlauf, also auf die Gegenwart der Vorstellungen im Bewusstsein. (W. II, 145. G. 146.)

2) Arten der Gedankenassoziation.

Die Assoziation beruht entweder auf einem Verhältnis von Grund und Folge zwischen den assoziierten Gedanken; oder aber auf Ähnlichkeit, auch bloße Analogie; oder endlich auf Gleichzeitigkeit ihrer ersten Auffassung, welche wieder in der räumlichen Nachbarschaft ihrer Gegenstände ihren Grund haben kann. Für den Intellektuellen Wert eines Kopfes ist das Vorherrschen des einen dieser drei Bänder der Gedankenassoziation vor den anderen charakteristisch; das zuerst genannte wird in den denkenden und gründlichen, das zweite in den witzigen, geistreichen, poetischen, das letzte in den beschränkten Köpfen vorherrschen. (W. II, 145.)

3) Scheinbare Ausnahmen von dem Gesetze der Gedankenassoziation.

Von dem Gesetze, auf welchem die Gedankenassoziation beruht, dass nämlich kein Gedanke ohne einen genügenden Anlass ins Bewusstsein treten kann, scheinen die Fälle eine Ausnahme zu machen, wo ein Gedanke, oder ein Bild der Phantasie uns plötzlich und ohne bewussten Anlass in den Sinn kommt. Meistens ist dies jedoch Täuschung, die darauf beruht, dass der Anlass so gering, der Gedanke selbst aber so hell und interessant war, dass er jenen augenblicklich aus dem Bewusstsein verdrängte. Bisweilen aber mag ein solcher plötzlicher Eintritt einer Vorstellung innere körperliche Eindrücke, entweder der Teile des Gehirns auf einander, oder auch des organischen Nervensystems auf das Gehirn zur Ursache haben. (W. II, 148.)

4) Der heimliche Lenker der Gedankenassoziation.

Der heimliche Lenker der Gedankenassoziation ist der Wille des Individuums. Er ist es, der das ganze Getriebe in Tätigkeit versetzt, indem er dem Interesse, d. h. den individuellen Zwecken der Person gemäß, den Intellekt antreibt, zu seinen gegenwärtigen Vorstellungen die mit ihnen logisch, oder analogisch, oder durch räumliche oder zeitliche Nachbarschaft verschwisterten herbeizuschaffen, wenngleich die Tätigkeit des Willens hierbei so unmittelbar ist, dass sie meistens nicht ins deutliche Bewusstsein fällt, und so schnell, dass wir uns bisweilen nicht ein Mal des Anlasses zu einer also hervorgerufenen Vorstellung bewusst werden, wo es uns dann scheint, als sei Etwas ohne allen Zusammenhang mit einem Anderen in unser Bewusstsein gekommen. (G. 146.) In letzter Instanz ist also die Gestalt des Satzes vom Grunde, welche die Gedankenassoziation beherrscht und tätig erhält, das Gesetz der Motivation; weil Das, was das Sensorium lenkt und es bestimmt, in dieser oder jener Richtung der Analogie oder sonstigen Gedankenassoziation nachzugehen, der Wille des denkenden Subjekts ist. (W. II, 149.)

5) Was auf der Gedankenassoziation beruht.

Auf der Gedankenassoziation beruht die Mnemonik. (S. Gedächtniskunst.) Im Grunde beruht aber auch unser nicht durch mnemonische Künste vermitteltes Wortgedächtnis und mit diesem unsere ganze Sprachfähigkeit auf der Gedankenassoziation. Denn das Erlernen der Sprache besteht darin, dass wir auf immer einen Begriff mit einem Wort so zusammenketten, dass bei diesem Begriff stets zugleich dieses Wort, und bei diesem Wort dieser Begriff uns einfällt. Den selben Prozess haben wir nochmals bei Erlernung jeder neuen Sprache zu wiederholen. (W. II, 146.)
Auf der Gedankenassoziation beruht ferner auch das Wiederanknüpfen des Fadens der durch den Schlaf unterbrochenen Erinnerung. Jeden Morgen beim Erwachen ist das Bewusstsein eine tabula rasa, die sich schnell wieder füllt. Zunächst nämlich ist es die jetzt wieder eintretende Umgebung des vorigen Abends, welche uns an das erinnert, was wir unter eben dieser Umgebung gedacht haben; daran knüpfen sich die Ereignisse des vorigen Tages, und so ruft ein Gedanke schnell den anderen hervor, bis Alles, was uns gestern beschäftigte, wieder da ist. Darauf, dass dies gehörig geschehe, beruht die Gesundheit des Geistes, im Gegensatze des Wahnsinns. (W. II, 147. Vergl. Wahnsinn.)