1) Die Freundschaft als eine Mischung heterogener
Elemente.
Die Freundschaft ist immer Mischung von Selbstsucht und
Mitleid; erstere liegt im Wohlgefallen an der Gegenwart des Freundes,
dessen Individualität der unsrigen entspricht, und sie macht fast immer
den größten Teil aus; Mitleid zeigt sich in der aufrichtigen Teilnahme
an seinem Wohl und Wehe und den uneigennützigen Opfern,
die man diesem bringt. (
W. I, 444.)
Wahre, echte Freundschaft setzt eine starke, rein objektive und völlig
uninteressierte Teilnahme am Wohl und Wehe des Anderen voraus,
und diese wieder ein wirkliches Sich- mit dem Freunde-Identifizieren.
Dem steht der Egoismus der menschlichen Natur so sehr entgegen, dass
wahre Freundschaft zu den Dingen gehört, von denen man, wie von
den kolossalen Seeschlangen, nicht weiß, ob sie fabelhaft sind oder
irgendwo existieren. Indessen gibt es mancherlei, in der Hauptsache
freilich auf versteckten egoistischen Motiven der mannigfaltigsten Art
beruhende Verbindungen zwischen Menschen, welche dennoch mit einem
Gran jener wahren Freundschaft versetzt sind, wodurch sie so veredelt
werden, dass sie in dieser unvollkommenen Welt mit einigem Fug den
Namen der Freundschaft führen dürfen. (
P. I, 488.)
Bei den Alten ist Freundschaft ein Hauptkapitel der Moral. Aber
sie ist eine bloße Eingeschränktheit und Einseitigkeit, die Beschränkung
Desjenigen auf Ein Individuum, was der ganzen Menschheit gebührt,
des Wiedererkennens seines eigenen Wesens im Andern; höchstens ist
sie ein Kompromiss zwischen diesem und dem Egoismus. (
H. 402.)
2) Wert eines treuen, aufrichtigen Freundes.
Wegen der Verunreinigung fast aller Erkenntnisse und Urteile des
Intellekts durch die subjektiven Interessen des Willens ist es uns,
namentlich in uns wichtigen persönlichen Angelegenheiten, wo das Interesse
bald als Furcht, bald als Hoffnung jeden Schritt des Intellekts
verfälscht, fast unmöglich, klar zu sehen und das Richtige zu treffen.
Deshalb ist, unter sehr erregenden Umständen, ein treuer und aufrichtiger
Freund von unschätzbarem Wert; weil er, selbst unbeteiligt, die
Dinge sieht wie sie sind, während sie unserm Blicke durch die Gaukelei
der Leidenschaften verfälscht sich darstellen. (
P. II, 69 fg.)
3) Erprobung des Freundes.
Die Echtheit eines Freundes zu erproben, hat man nächst den
Fällen, wo man ernstlicher Hilfe und bedeutender Opfer bedarf, die
beste Gelegenheit in dem Augenblick, wo man ihm ein Unglück, davon
man so eben getroffen worden, berichtet. Alsdann nämlich malt sich
in seinen Zügen entweder wahre, innige, unvermischte Betrübnis, oder
aber sie bestätigen, durch ihre gefasste Ruhe, oder einen flüchtigen
Nebenzug, Rochefoucaulds Wort, dass selbst in dem Unglück unserer
besten Freunde Etwas ist, was uns nicht missfällt. Die gewöhnlichen
sogenannten Freunde vermögen bei solchen Gelegenheiten oft kaum
das Zucken zu einem leisen, wohlgefälligen Lächeln zu unterdrücken.
(
P. I, 488.)
4) Was jeder Freundschaft Eintrag tut.
Entfernung und lange Abwesenheit tun jeder Freundschaft Eintrag,
so ungern man es gesteht. Denn Menschen, die wir nicht sehen, wären
sie auch unsere geliebtesten Freunde, trocknen im Laufe der Jahre allmählich
zu abstrakten Begriffen aus, wodurch unsere Teilnahme an ihnen
mehr und mehr eine bloß vernünftige, ja traditionelle wird; die lebhafte
und tiefgefühlte bleibt Denen vorbehalten, die wir vor Augen
haben. So sinnlich ist die menschliche Natur. (
P. I, 488 fg.)
5) Die Zahl der Freunde.
Die Zahl der Freunde, die Einer hat, ist kein Beweis seines
Wertes. Nichts verrät weniger Menschenkenntnis, als wenn man
als einen Beleg der Verdienste und des Wertes eines Menschen anführt,
dass er sehr viele Freunde hat; als ob die Menschen ihre
Freundschaft nach dem Wert und Verdienst verschenken. Es lässt sich
gegenteils behaupten, dass Menschen von vielem Wert und Verdienst
nur wenig Freunde haben können. (
M. 257.)
6) Unabhängigkeit der Freundschaft zwischen Personen
verschiedenen Geschlechts von der Geschlechtsliebe.
S.
Geschlechtsliebe.