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Schopenhauers Kosmos

 

 Böse. Bosheit.

1) Bedeutung des Wortes böse.

Böse ist, so wie gut, Ausdruck einer Relation. Alles, was den Bestrebungen irgend eines individuellen Willens gemäß ist, heißt, in Beziehung auf diesen, gut, z. B. gutes Essen, gute Wege, gute Vorbedeutung; — das Gegenteil schlecht, an belebten Wesen böse. (E. 265.) Der Begriff des Gegenteils von gut wird, so lange von nichterkennenden Wesen die Rede ist, durch das Wort schlecht, seltener und abstrakter durch Übel ausgedrückt, welches alles dem jedesmaligen Streben des Willens nicht Zusagende bezeichnet. Im Deutschen und Französischen bezeichnet man dieses bei erkennenden Wesen (Tieren und Menschen) durch ein anderes Wort, als bei erkenntnislosen, nämlich durch böse, méchant, während in fast allen anderen Sprachen dieser Unterschied nicht Statt findet und κακος, malus, cattivo, bad von Menschen wie von leblosen Dingen gebraucht werden, welche den Zwecken eines bestimmten individuellen Willens entgegen sind. (W. I, 426.)

2) Wesen und Grundelemente des bösen Charakters.

Wenn ein Mensch, sobald Veranlassung dazu da ist und ihn keine äußere Macht abhält, stets geneigt ist, Unrecht zu tun, nennen wir ihn böse. Dieses heißt nach dem Begriff des Unrechts (s. Unrecht), dass ein solcher nicht allein den Willen zum Leben, wie er in seinem Leibe erscheint, bejaht; sondern in dieser Bejahung so weit geht, dass er den in anderen Individuen erscheinenden Willen verneint; was sich darin zeigt, dass er ihre Kräfte zum Dienste seines Willens verlangt und ihr Dasein zu vertilgen sucht, wenn sie den Bestrebungen seines Willens entgegenstehen. Die letzte Quelle hiervon ist ein hoher Grad des Egoismus. Zweierlei ist hier sogleich offenbar: erstlich, dass in einem solchen Menschen ein überaus heftiger, weit über die Bejahung seines eigenen Leibes hinausgehender Wille zum Leben sich ausspricht; und zweitens, dass seine Erkenntnis, ganz im principio individuationis befangen (s. Individuation), bei dem durch dieses letztere gesetzten gänzlichen Unterschiede zwischen seiner eigenen Person und allen anderen fest stehen bleibt; daher er allein sein eigenes Wohlsein sucht, vollkommen gleichgültig gegen das aller Anderen, deren Wesen ihm vielmehr fremd ist, durch eine weite Kluft von dem seinigen geschieden, ja, die er eigentlich nur als Larven, ohne alle Realität, ansieht. (W. I, 428 fg.)

3) Physiognomischer Ausdruck des bösen Charakters.

Große Heftigkeit des Wollens ist an sich eine stete Quelle des Leidens. Weil nun vieles und heftiges Leiden von vielem und heftigem Wollen unzertrennlich ist, trägt der Gesichtsausdruck sehr böser Menschen das Gepräge des inneren Leidens; selbst wenn sie alles äußerliche Glück erlangt haben, sehen sie stets unglücklich aus, sobald sie nicht in augenblicklichem Jubel begriffen sind, oder sich verstellen. (W. I, 429.)

4) Wesen und Ursprung der eigentlichen Bosheit.

Aus der dem bösen Menschen wesentlichen inneren Qual geht zuletzt die nicht aus bloßem Egoismus entsprungene, sondern uneigennützige Freude an fremden Leiden hervor, welche die eigentliche Bosheit ist und sich bis zur Grausamkeit steigert. Dieser ist das fremde Leiden nicht mehr Mittel zur Erlangung der Zwecke des eigenen Willens, sondern Zweck an sich. Der bis zur Bosheit sich steigernde böse Wille sucht nämlich für die innere Qual, an der er leidet, indirekt die Linderung, deren er direkt nicht fähig ist, sucht durch den Anblick fremden Leidens, welches er zugleich als eine Äußerung seiner Macht erkennt, das eigene zu mildern. Fremdes Leiden wird ihm jetzt Zweck an sich, ist ihm ein Anblick, an dem er sich weidet. (W. I, 429 fg.)

5) Unterschied der Bosheit vom Egoismus.

Der Egoismus kann zwar zu Verbrechen und Untaten aller Art führen; aber der dadurch verursachte Schaden und Schmerz Anderer ist ihm bloß Mittel, nicht Zweck, tritt also nur akzidentell dabei ein. Der Bosheit und Grausamkeit hingegen sind die Leiden und Schmerzen Anderer Zweck an sich und dessen Erreichen Genuss. Deshalb machen Bosheit und Grausamkeit eine höhere Potenz moralischer Schlechtigkeit aus. Die Maxime des äußersten Egoismus ist: Neminem juva, imo omnes, si forte conducit (also immer noch bedingt), laede. Die Maxime der Bosheit ist: Omnes, quantum potes, laede. (E. 200.)

6) Zusammenhang der moralischen Schlechtigkeit mit der Dummheit

S. Dummheit.