Besserung.
1) Sphäre und Bereich der Besserung.
Auf der Konstanz des Charakters (s. Charakter) beruht es, dass ein Mensch, selbst bei der deutlichsten Erkenntnis, ja Verabscheuung seiner moralischen Fehler, ja beim aufrichtigsten Vorsatz der Besserung, doch eigentlich sich nicht bessert, sondern immer wieder in dieselben Fehler fällt. Bloß seine Erkenntnis lässt sich berichtigen; dann ändert er die Mittel zu seinen Zwecken, nicht die Zwecke. Die Sphäre und der Bereich aller Besserung und Veredelung liegt allein in der Erkenntnis. Der Charakter ist unveränderlich. (E. 51 fg. 254.) Einsicht, Erkenntnis kann man erlangen und wieder verlieren, kann sie ändern, bessern, verderben; aber den Willen kann man nicht ändern: darumich begreife,
ich erkenne,
ich sehe ein— ist wandelbar und unsicher;
ich will, nach rechterkannten Motiven gesagt, ist fest wie die Natur selbst. (H. 394.)
2) Unwirksamkeit der Ethik und Religion zur moralischen Besserung.
Weiter, als auf die Berichtigung der Erkenntnis, erstreckt sich keine moralische Einwirkung, und das Unternehmen, die Charakterfehler eines Menschen durch Reden und Moralisieren aufheben und so seinen Charakter selbst, seine eigentliche Moralität, umschaffen zu wollen, ist ganz gleich dem Vorhaben, Blei durch äußere Einwirkung in Gold zu verwandeln, oder eine Eiche durch sorgfältige Pflege dahin zu bringen, dass sie Aprikosen trüge. (E. 52.)
Wenn nicht der Charakter, als Ursprüngliches, unveränderlich und
daher, aller Besserung unzugänglich wäre; wenn vielmehr, wie die platte
Ethik es behauptet, eine Besserung des Charakters mittelst der Moral
möglich wäre; — so müsste, sollen nicht alle die vielen religiösen Anstalten
und moralisierenden Bemühungen ihren Zweck verfehlt haben,
wenigstens im Durchschnitt die ältere Hälfte der Menschen bedeutend
besser, als die jüngere sein. Davon ist aber so wenig eine Spur, dass
wir umgekehrt eher von jungen Leuten etwas Gutes hoffen, als von
alten. (E. 251 fg.)