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Schopenhauers Kosmos

 

 Aristokratie.

1) Drei Arten von Aristokratie.

Es gibt drei Arten von Aristokratie: 1) die Aristokratie der Geburt und des Ranges; 2) die Geldaristokratie; 3) die geistige Aristokratie. Letztere ist die vornehmste. (Über die Aristokratie der Geburt vgl. Adel.)
Während jede dieser drei Aristokratieen umgeben ist von einem Heer von erbitterten Neidern, so vertragen sich die der einen Aristokratie Angehörigen mit denen der anderen meistens gut und ohne Neid, weil Jeder seinen Vorzug gegen den der anderen in die Waage legt. (P. I, 459.)

2) Intellektuelle Aristokratie der Natur.

In Hinsicht auf den Intellekt ist die Natur höchst aristokratisch. Die Unterschiede, die sie hier eingesetzt hat, sind größer als die, welche Geburt, Rang, Reichtum oder Kastenunterschied in irgend einem Lande feststellen. Wie in anderen Aristokratieen, so auch kommen in der ihrigen viele tausend Plebejer auf einen Edlen, viele Millionen auf einen Fürsten (W. II, 161. H. 382.) Aristokratisch ist die Natur, aristokratischer als irgend ein Feudal- und Kastenwesen. Demgemäß läuft ihre Pyramide von einer sehr breiten Basis in einen gar spitzen Gipfel aus. Und wenn es dem Pöbel und Gesindel, welches nichts über sich dulden will, auch gelänge, alle anderen Aristokratieen umzustoßen, so müsste es diese doch bestehen lassen. (P. I, 212.)

3) Kontrast zwischen der Rangliste der Natur und der der Konvention

Zwischen der Rangliste der Natur und der der Konvention ist ein schreiender Kontrast, dessen Ausgleichung nur in einem goldenen Zeitalter zu hoffen stände. Inzwischen haben die aus der einen und die aus der anderen Rangliste sehr hoch Stehenden das Gemeinsame, dass sie meistens in vornehmer Isolation leben. (W. II, 161) Eine radikale Verbesserung der menschlichen Gesellschaft könnte dauernd nur dadurch zu Stande kommen, dass man die konventionelle Rangliste nach der der Natur regelte. Die Schwierigkeiten einer solchen Regelung sind freilich unabsehbar. Es wäre nötig, dass jedes Kind seine Bestimmung nicht nach dem Stande der Eltern, sondern nach dem Ausspruch des tiefsten Menschenkenners empfinge. (H. 383.)

4) Nachteilige Folgen der Verkennung der Aristokratie der Natur und Nutzen ihrer Anerkennung.

Weil das Publikum die Aristokratie der Natur nie erkennt und begreift, weil es gute Gründe hat, sie nicht erkennen zu wollen, darum legt es die Werke der geistigen Heroen sobald aus den Händen, um sich mit den Produktionen des neuesten Stümpers bekannt zu machen. (P. I, 191.) Das Publikum könnte durch nichts so sehr gefördert werden, als durch die Erkenntnis jener Intellektuellen Aristokratie der Natur. Es würde in Folge derselben nicht mehr die ihm zu seiner Bildung kärglich zugemessene Zeit vergeuden an den Produktionen gewöhnlicher Köpfe; es würde nicht mehr, in dem kindischen Wahn, dass Bücher, gleich Eiern, frisch genossen werden müssen, stets nach dem Neuesten greifen, sondern würde sich an die Leistungen der wenigen Auserlesenen und Berufenen aller Zeiten und Völker halten und könnte so allmählich zu echter Bildung gelangen. Dann würden auch bald jene Tausende unberufener Produktionen ausbleiben, die wie Unkraut dem guten Weizen das Auskommen erschweren. (W. II, 162.)