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Schopenhauers Kosmos

 

 Skulptur.

1) Gegensatz zwischen Skulptur und Malerei.

(S. Malerei.)

2) Warum die Werke der Skulptur keine so tiefe und allgemeine Wirkung ausüben, als die der Poesie.

(S. unter Poesie: Die Wirkung der Poesie, verglichen mit der Wirkung der bildenden Künste.)

3) Die Bedeutung der Draperie in der Skulptur.

Weil Schönheit nebst Grazie der Hauptgegenstand der Skulptur ist, liebt sie das Nackte und leidet Bekleidung nur, sofern diese die Formen nicht verbirgt. Sie bedient sich der Draperie nicht als einer Verhüllung; sondern als einer mittelbaren Darstellung der Form, welche Darstellungsweise den Verstand sehr beschäftigt, indem er zur Anschauung der Ursache, nämlich der Form des Körpers, nur durch die allein unmittelbar gegebene Wirkung, den Faltenwurf, gelangt. Sonach ist in der Skulptur die Draperie gewissermaßen Das, was in der Malerei die Verkürzung ist. (W. I, 270.)

4) Warum Laokoon in der berühmten Gruppe nicht schreit.

Weil Schönheit offenbar der Hauptzweck der Skulptur ist, hat Lessing die Tatsache, dass der Laokoon in der berühmten Gruppe nicht schreit, daraus zu erklären gesucht, dass das Schreien mit der Schönheit nicht zu vereinigen sei. Andere haben andere Erklärungen teils psychologischer, teils physiologischer Art versucht. Der wahre Grund aber, warum das Schreien in der Gruppe nicht dargestellt werden durfte, ist der, dass die Darstellung desselben gänzlich außer dem Gebiete der Skulptur liegt; denn das Wesen und folglich auch die Wirkung des Schreiens auf den Zuschauer liegt ganz allein im Laut, nicht im Mundaufsperren. Dieses letztere, das Schreien notwendig begleitende Phänomen muss erst durch den dadurch hervorgebrachten Laut motiviert und gerechtfertigt werden. In der Dichtkunst hingegen, welche zur anschaulichen Darstellung die Phantasie des Lesers in Anspruch nimmt, ist die Darstellung des Schreiens, als der Wahrheit, d. h. der vollständigen Darstellung der Idee dienend, zulässig. Also lediglich wegen der Grenzen der Kunst durfte der Schmerz des Laokoon nicht durch Schreien ausgedrückt werden. (W. I, 267—270; II, 481.)

5) Die antike Skulptur.

Obwohl das Herausfinden, Erkennen und Feststellen des Typus der menschlichen Schönheit auf einer gewissen Antizipation derselben beruht und daher zum Teil a priori begründet ist, bedarf diese Antizipation dennoch der Erfahrung, um durch sie angeregt zu werden. (Vergl. Antizipation.) Deshalb leistete es den griechischen Bildhauern allerdings großen Vorschub, dass Klima und Sitte des Landes ihnen den ganzen Tag Gelegenheit gaben, halb nackte Gestalten, und in den Gymnasien auch ganz nackte zu sehen. Dabei forderte jedes Glied ihren plastischen Sinn auf zur Beurteilung und zur Vergleichung desselben mit dem Ideal, welches unentwickelt in ihrem Bewusstsein lag. (W. II, 477. — Über die besonderen Vorzüge der antiken Skulptur vergl. die Alten.)
Die griechische Skulptur wendet sich an die Anschauung, darum ist sie ästhetisch; die hindustanische wendet sich an den Begriff, daher ist sie bloß symbolisch. (W. I, 282.)

6) Die moderne Skulptur.

Die moderne Skulptur ist, was immer sie auch leisten mag, doch der modernen lateinischen Poesie analog und, wie diese, ein Kind der Nachahmung, aus Reminiszenzen entsprungen. Lässt sie sich beigehen, originell sein zu wollen; so gerät sie alsbald auf Abwege, namentlich auf den schlimmen, nach der vorgefundenen Natur, statt nach den Proportionen der Alten zu formen. (W. II, 478.)