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Schopenhauers Kosmos

 

 Natur.

1) Was Natur bedeutet.

Natur bedeutet das ohne Vermittlung des Intellekts Wirkende, Treibende, Schaffende. (W. II, 304.)

2) Gegensatz zwischen den Werken der Natur und den Werken der nach Absicht wirkenden Kunst.

Schon Hume machte darauf aufmerksam, wie doch im Grunde gar keine Ähnlichkeit sei zwischen den Werken der Natur und denen einer nach Absicht wirkenden Kunst. Ein noch größeres Verdienst hat sich in dieser Beziehung Kant durch seine Kritik des physikotheologischen Beweises erworben. Denn nichts steht der richtigen Einsicht in die Natur und in das Wesen der Dinge mehr entgegen, als die Auffassung derselben als nach kluger Berechnung gemachter Werke. (N. 38.)
Statt, wie die Engländer, an den Werken der Natur die Weisheit Gottes zu demonstrieren, sollte man daraus verstehen lernen, dass Alles, was durch das Medium der Vorstellung, also des Intellekts, zu Stande kommt, alle bewussten und beabsichtigten Leistungen und Werke, bloße Stümperei ist gegen das vom Willen unmittelbar Ausgehende und durch keine Vorstellung Vermittelte, dergleichen die Werke der Natur sind. (P. II, 109. W. II, 304. 366 fg.) Wenn wir uns der Betrachtung des so unaussprechlich künstlichen Baues irgend eines Tieres hingeben, uns in Bewunderung desselben versenkend, jetzt aber uns einfällt, dass die Natur eben diesen, so überaus künstlichen und höchst komplizierten Organismus täglich zu Tausenden der Zerstörung Preis gibt; so setzt diese rasende Verschwendung uns in Erstaunen. Allein dasselbe beruht auf einer Amphibolie der Begriffe, indem wir dabei das menschliche Kunstwerk im Sinne haben, welches unter Vermittlung des Intellekts und durch Überwältigung eines fremden Stoffes zu Stande gebracht wird, folglich allerdings viel Mühe kostet. Der Natur hingegen kosten ihre Werke, so künstlich sie auch sind, gar keine Mühe; weil hier der Wille zum Werke schon selbst das Werk ist. (W. II, 375. N. 55 fg.)

3) Das innere Wesen der Natur.

Das innerste Wesen der gesamten Natur ist Wille.
Nicht allein im Menschen und Tiere ist das innerste Wesen Wille; sondern die fortgesetzte Reflexion leitet dahin, auch die Kraft, welche in der Pflanze treibt und vegetiert, ja, die Kraft, durch welche der Kristall anschießt, die, welche den Magnet zum Nordpole wendet, die, deren Schlag uns aus der Berührung heterogener Metalle entgegenfährt, die, welche in den Wahlverwandtschaften der Stoffe als Fliehen und Suchen, Trennen und Vereinen erscheint, ja, zuletzt sogar die Schwere, — diese Alle nur in der Erscheinung für verschieden, ihrem inneren Wesen nach aber als das Selbe zu erkennen, was in uns, wo es am deutlichsten hervortritt und uns intimer bekannt ist, als alles Andere, Wille heißt. Wille ist das Innerste, der Kern jedes Einzelnen und ebenso des Ganzen; er erscheint in jeder blindwirkenden Naturkraft, er auch erscheint im überlegten Handeln des Menschen, welcher Beider große Verschiedenheit doch nur den Grad des Erscheinens, nicht das Wesen des Erscheinenden trifft. (W. I, 130 fg. 136. 140 fg.; II 332 fg. 339. Vergl. auch Ding an sich.)
Die Natur ist der Wille, sofern er sich selbst außer sich erblickt; wozu sein Standpunkt ein individueller Intellekt sein muss. Dieser ist ebenfalls sein Produkt. (P. II, 109.)

4) Erhabenheit der Urkraft der Natur über die Formen der Erscheinung: Raum, Zeit und Vielheit.

Betrachten wir die nie genug bewunderte Vollendung in den Werken der Natur, die selbst in den letzten und kleinsten Organismen und in jedem einzelnen der zahllosen Individuen mit derselben Sorgfalt durchgeführt ist; verfolgen wir die Zusammensetzung der Teile jedes Organismus und stoßen dabei doch nie auf ein ganz Einfaches und Letztes, geschweige auf ein Unorganisches; verlieren wir uns endlich in Betrachtung der Zweckmäßigkeit aller jener Teile desselben zum Bestand des Ganzen; erwägen wir dabei, dass jedes dieser Meisterwerke schon unzählige Male von Neuem hervorgebracht wurde und doch das letzte Exemplar jeder Art auch eben so sorgfältig ausgearbeitet erscheint, wie das erste, die Natur also keineswegs ermüdet und zu pfuschen anfängt; dann werden wir zuvörderst inne, dass alle menschliche Kunst nicht bloß dem Grade, sondern der Art nach vom Schaffen der Natur völlig verschieden ist; nächst dem aber, dass die wirkende Urkraft, die natura naturans, in jedem ihrer zahllosen Werke ganz und ungeteilt unmittelbar gegenwärtig ist, woraus folgt, dass sie, als solche und an sich, von Raum und Zeit nichts weiß. Bedenken wir ferner, dass die Hervorbringung jener vollendeten Gebilde der Natur so ganz und gar nichts kostet, dass sie mit unbegreiflicher Verschwendung Millionen Organismen schafft, die dem Zufall preisgegeben, nie zur Reife gelangen, andererseits aber auch, durch Zufall begünstigt, Millionen Exemplare einer Art liefert, wo sie bisher nur eines gab, folglich Millionen ihr nichts mehr kosten, als Eines, so leitet auch dieses zu der Ansicht hin, dass der Urkraft der Natur, dem Dinge an sich, die Vielheit fremd ist, mithin Raum und Zeit, auf welchen die Möglichkeit aller Vielheit beruht, bloße Formen unserer Anschauung sind. (W. II, 366 fg. 375. P. II, §. 67.)

5) Der Kreislauf der Natur.

Durchgängig und überall ist das echte Symbol der Natur der Kreis, weil er das Schema der Wiederkehr ist; diese ist in der Tat die allgemeinste Form in der Natur, welche sie in Allem durchführt, vom Laufe der Gestirne an bis zum Tod und der Entstehung organischer Wesen, und wodurch allein in dem rastlosen Strom der Zeit und ihres Inhalts doch ein bestehendes Dasein, d. i. eine Natur, möglich wird. (W. II, 543.)

6) Die Stufen der Natur.

Auf der untersten Stufe der Natur sehen wir den Willen sich darstellen als einen blinden Drang, ein finsteres, dumpfes Treiben, fern von aller unmittelbaren Erkennbarkeit. Es ist die einfachste und schwächste Art seiner Objektivation. Als solcher blinder Drang erscheint er aber noch in der ganzen unorganischen Natur, in allen den ursprünglichen Kräften, welche aufzusuchen und ihre Gesetze kennen zu lernen Physik und Chemie beschäftigt sind, und jede von welchen sich uns in Millionen ganz gleichartiger und gesetzmäßiger, keine Spur von individuellem Charakter ankündigender Erscheinungen darstellt. Von Stufe zu Stufe sich deutlicher objektivierend, wirkt dennoch auch im Pflanzenreich, wo nicht mehr eigentliche Ursachen, sondern Reize das Band seiner Erscheinungen sind, der Wille doch noch völlig erkenntnislos, als finstere treibende Kraft, und so endlich auch noch im vegetativen Teil der tierischen Erscheinung, in der Hervorbringung und Ausbildung jedes Tieres und in der Unterhaltung der inneren Ökonomie desselben, wo immer nur noch bloße Reize seine Erscheinung notwendig bestimmen. Die immer höher stehenden Stufen der Objektität des Willens führen endlich zu dem Punkt, wo das die Idee darstellende Individuum nicht mehr durch bloße Bewegung auf Reize seine zu assimilierende Nahrung erhalten konnte, sondern diese ausgesucht und ausgewählt werden musste; wodurch die Bewegung auf Motive und wegen dieser die Erkenntnis notwendig wurde. (Vergl. Erkenntnis.) Mit dieser hört aber auch die bisherige unfehlbare Sicherheit und Gesetzmäßigkeit auf, mit welcher der Wille in der unorganischen und bloß vegetativen Natur wirkte und welche darauf beruhte, dass er allein in seinem ursprünglichen Wesen als blinder Drang tätig war, ohne Beihilfe, aber auch ohne Störung von einer zweiten, ganz andern Welt, der Welt als Vorstellung. (W. I, 178—181.)
Wir können die verschiedenen den Willen objektivierenden Ideen, welche die Naturstufen bilden, als einzelne und an sich einfache Willensakte betrachten, in denen sein Wesen sich mehr oder weniger ausdrückt. Nun behält auf der niedrigsten Stufe der Objektität ein solcher Akt (oder eine Idee) auch in der Erscheinung seine Einheit bei; während er auf den höheren Stufen, um zu erscheinen, einer ganzen Reihe von Zuständen und Entwickelungen in der Zeit bedarf, welche alle zusammengenommen erst den Ausdruck seines Wesens vollenden. (W. I, 184—186.)

7) Kontinuität der Naturstufen.

Natura non facit saltus; so lautet das Gesetz der Kontinuität aller Veränderungen, vermöge dessen in der Natur kein Übergang, sei er im Raum, oder in der Zeit, oder im Grade irgend einer Eigenschaft, ganz abrupt eintritt. (F. 57. P. II, 205.)
Die Natur fängt nicht bei jedem Erzeugnisse von vorne an, aus nichts schaffend, sondern, gleichsam im selben Stile fortschreitend, knüpft sie an das Vorhandene an, benutzt die früheren Gestaltungen, entwickelt und potenziert sie höher, ihr Werk weiter zu führen, ganz nach der Regel: natura non facit saltus, et quod commodissimum in omnibus suis operationibus sequitur. Als Beleg hierfür kann die sogenannte Metamorphose der Pflanzen dienen, eben so die Steigerung der Tierreihe, auch die Steigerung in Hinsicht auf den Intellekt, wenngleich der Schritt vom tierischen zum menschlichen Intellekt wohl der weiteste ist, den die Natur getan hat. (W. II, 380. 66. P. II. 167. M. 169. 192.) Auch jedem Absterben geht dem Grundsatze natura non facit saltus zufolge eine allmähliche Deterioration vorher. (W. II, 645.)
Die am schärfsten gezogene Grenze in der ganzen Natur und vielleicht die einzige, welche keine Übergänge zulässt, ist die Grenze zwischen dem Organischen und dem Unorganischen; so dass das natura non facit saltus hier eine Ausnahme zu erleiden scheint. (W. II. 335. N. 83.)
(Über den Zusammenhang des Menschen mit der übrigen Natur s. Mensch, und über die Intellektuelle Aristokratie der Natur s. Aristokratie.)

8) Die Verständlichkeit der Naturerscheinungen.

Die Verständlichkeit der Naturerscheinungen nimmt in dem Maße ab, als in ihnen der Wille sich immer deutlicher manifestiert, d. h. als sie immer höher auf der Stufenleiter stehen; hingegen ist ihre Verständlichkeit um so größer, je geringer ihr empirischer Gehalt ist, weil sie um so mehr auf dem Gebiete der bloßen Vorstellung bleiben, deren uns a priori bewusste Formen das Prinzip der Verständlichkeit sind. (N. 86—90. P. II, 100.)

9) Der Streit und Kampf in der Natur.

In der Natur sehen wir überall Streit, Kampf und Wechsel des Sieges, und erkennen hierin die dem Willen wesentliche Entzweiung mit sich selbst. Jede Stufe der Objektivation des Willens macht der anderen die Materie, den Raum, die Zeit streitig. Beständig muss die beharrende Materie die Form wechseln, indem am Leitfaden der Kausalität mechanische, physische, chemische, organische Erscheinungen, sich gierig zum Hervortreten drängend, einander die Materie entreißen, da jede ihre Idee offenbaren will. Durch die gesamte Natur lässt sich dieser Streit verfolgen, ja sie besteht nur durch ihn. (W. I, 174 fg. 192.)

10) Die Zweckmäßigkeit in der Natur.

(S. Teleologie.)

11) Entgegengesetztes Verhalten der Natur zu den Gattungen und zu den Individuen.

Die Natur ist so sorgsam für die Erhaltung der Gattung, wie gleichgültig gegen den Untergang der Individuen; diese sind ihr stets nur Mittel, jene ist ihr Zweck. Daher tritt ein greller Kontrast hervor zwischen ihrem Geiz bei Ausstattung der Individuen und ihrer Verschwendung, wo es die Gattung gilt. Hier nämlich werden oft von einem Individuum jährlich hunderttausend Keime und darüber gewonnen, z. B. von Bäumen, Fischen, Krebsen, Termiten u. a. m. Dort hingegen ist Jedem an Kräften und Organen nur knapp so viel gegeben, dass es bei unausgesetzter Anstrengung sein Leben fristen kann. Und wo eine gelegentliche Ersparnis möglich war, dadurch dass ein Teil zur Not entbehrt werden konnte, ist er, selbst außer der Ordnung, zurückbehalten worden; daher fehlen z. B. vielen Raupen die Augen. Allein dies geschieht in Folge der lex parsimoniae naturae, zu deren Ausdruck natura nihil facit supervacaneum man noch fügen kann et nihil largitur. — Die selbe Richtung der Natur zeigt sich auch darin, dass je tauglicher das Individuum vermöge seines Alters zur Fortpflanzung ist, desto kräftiger in ihm die vis naturae medicatrix sich äußert. Dieses nimmt ab mit der Zeugungsfähigkeit und sinkt tief, nachdem sie erloschen ist; denn jetzt ist in den Augen der Natur das Individuum wertlos geworden. (W. II, 552 fg.; I, 325. 389. 401; II, 315 fg. 389. 668. N. 41. 50. P. I, 276; II, 95. 261.)
Sieht man, wie die Natur, während sie um die Individuen wenig besorgt ist, mit so übertriebener Sorgfalt über die Erhaltung der Gattungen wacht, mittelst der Allgewalt des Geschlechtstriebes und vermöge des unberechenbaren Überschusses der Keime; so kommt man auf die Vermutung, dass, wie der Natur die Hervorbringung des Individuums Leichtes ist, so die ursprüngliche Hervorbringung einer Gattung ihr äußerst schwer werde. (P. II, 109 fg.)

12) Die ästhetische Wirkung der Natur.

Die ästhetische, rein objektive Gemütsstimmung wird von Außen durch die zu ihrem Anschauen einladende, ja sich aufdrängende Fülle der schönen Natur erleichtert und befördert. Ihr gelingt es, so oft sie mit Einem Male unserm Blicke sich auftut, fast immer, uns, wenn auch nur auf Augenblicke, der Subjektivität, dem Sklavendienste des Willens zu entreißen und in den Zustand des reinen Erkennens zu versetzen. Darum wird auch der von Leidenschaften, oder Not und Sorge Gequälte durch einen einzigen freien Blick in die Natur so plötzlich erquickt, erheitert und aufgerichtet. (W. I, 232.)
Den Anblick einer schönen Landschaft so überaus erfreulich zu machen, trägt unter Anderem auch die durchgängige Wahrheit und Konsequenz der Natur bei. (W. II, 459. Vergl. Aussicht, schöne.)
Dass der sich plötzlich vor uns auftuende Anblick der Gebirge, uns so leicht in eine ernste, auch wohl erhabene Stimmung versetzte mag zum Teil darauf beruhen, dass die Form der Berge und der daraus entstehende Umriss des Gebirges die einzige stets bleibende Linie der Landschaft ist, da die Berge allein dem Verfall trotzen, der alles Übrige schnell hinwegrafft, zumal unsere eigene ephemere Person. Nicht, dass beim Anblick des Gebirges alles Dieses in unser deutliches Bewusstsein träte, sondern ein dunkles Gefühl davon wird der Grundbass unserer Stimmung. (W. II, 460.)
Wie ästhetisch ist doch die Natur! Jedes ganz unangebaute und verwilderte, d. h. ihr selber frei überlassene Fleckchen dekoriert sie alsbald auf die geschmackvollste Weise, bekleidet es mit Pflanzen, Blumen und Gesträuchen, deren ungezwungenes Wesen, natürliche Grazie und anmutige Gruppierung davon zeugt, dass sie nicht unter der Zuchtrute des großen Egoisten aufgewachsen sind, sondern hier die Natur frei gewaltet hat. Jedes vernachlässigte Plätzchen wird alsbald schön. (W. II, 460. P. II, 459.)
Die unorganische Natur, sofern sie nicht etwa aus Wasser besteht, macht, wenn sie ohne alles Organische sich darstellt, einen sehr traurigen, ja, beklemmenden Eindruck auf uns, was zunächst daraus entspringt, dass die unorganische Masse ausschließlich dem Gesetze der Schwere gehorcht, nach deren Richtung daher hier Alles gelagert ist. — Dagegen nun erfreut uns der Anblick der Vegetation unmittelbar und in hohem Grade. Der nächste Grund hiervon liegt darin, dass in der Vegetation das Gesetz der Schwere als überwunden erscheint; hierdurch kündigt sich unmittelbar das Phänomen des Lebens an als eine neue und höhere Ordnung der Dinge. Wir selbst gehören dieser; sie ist das uns Verwandte. Dabei geht uns das Herz auf. Außerdem ist, was den Anblick der vegetabilischen Natur uns so erfreulich macht, der Ausdruck von Ruhe, Frieden und Genügen, den sie trägt; während die animalische sich uns meistens im Zustande der Unruhe, der Not, ja des Kampfes darstellt; daher gelingt es jener so leicht, uns in den Zustand des reinen Erkennens zu versetzen, der uns von uns selbst befreit. — Das Wasser hebt die traurige Wirkung seiner anorganischen Wesenheit durch seine große Beweglichkeit, die einen Schein des Lebens gibt, und durch sein beständiges Spiel mit dem Lichte großenteils auf; zudem ist es die Urbedingung alles Lebens. (P. II, 458 fg.)
In Hinsicht auf die Charaktere macht es die Natur nicht, wie die schlechten Poeten, welche, wann sie Schurken oder Narren darstellen, so plump und absichtsvoll dabei zu Werke gehen, dass man gleichsam hinter jeder solcher Person den Dichter stehen sieht, der ihre Gesinnung und Rede fortwährend desavouiert und mit warnender Stimme ruft: Dies ist ein Schurke, dies ist ein Narr. Die Natur macht es vielmehr, wie Shakespeare und Göthe, in deren Werken jede Person und wäre sie der Teufel selbst, während sie dasteht und redet, Recht behält; weil sie so objektiv aufgefasst ist, dass wir in ihr Interesse gezogen und zur Teilnahme an ihr gezwungen werden; denn sie ist, eben wie Werke der Natur, aus einem inneren Prinzip entwickelt, vermöge dessen ihr Sagen und Tun als natürlich, mithin als notwendig auftritt. (P. I, 481.)
(Über die Naivität der Natur s. Naiv, Naivität.)

13) Die moralische Beschaffenheit der Natur und die Erlösung derselben.

Die Natur kennt nur das Physische, nicht das Moralische; sogar ist zwischen ihr und der Moral entschiedener Antagonismus. Erhaltung des Individuums, besonders aber der Spezies, in möglichster Vollkommenheit, ist ihr alleiniger Zweck. (W. II, 645.)
Wer den Charakter der Natur ins Auge fasst, der wird dem Aristoteles Recht geben, wenn er sagt: η φυσις δαιμονια αλλ ου θεια εστι (natura daemonia est, non divina). (W. II, 399. 405.) Viel richtiger, als die Natur auf pantheistische Weise mit Gott zu identifizieren, wäre es, sie mit dem Teufel zu identifizieren, wie der ehrwürdige Verfasser der deutschen Theologie getan, indem er sagt: Darum ist der böse Geist und die Natur Eins, und wo die Natur nicht überwunden ist, da ist auch der böse Feind nicht überwunden. (P. II, 107.)
Das wirklich und faktisch in der Natur herrschende Gesetz ist das Herrschen der Gewalt statt des Rechts, nicht etwa nur in der Tierwelt, sondern auch in der Menschenwelt. (E. 159.)
Da der Wille durch nichts aufgehoben werden kann, als durch Erkenntnis, so ist der einzige Weg des Heils dieser, dass der Wille ungehindert erscheine, um in dieser Erscheinung sein eigenes Wesen erkennen zu können. Nur in Folge dieser Erkenntnis kann der Wille sich selbst aufheben und damit auch das Leiden, welches von seiner Erscheinung unzertrennlich ist, endigen; nicht aber ist dies durch physische Gewalt, wie Zerstörung des Keims, oder Tötung des Neugeborenen, oder Selbstmord möglich. Die Natur führt eben den Willen zum Lichte, weil er nur am Lichte seine Erlösung finden kann. Daher sind die Zwecke der Natur auf alle Weise zu befördern, sobald der Wille zum Leben, der ihr inneres Wesen ist, sich entschieden hat. (W. I, 474. Vergl. auch unter Mensch: Der Mensch als Wendepunkt des Willens zum Leben und als Erlöser der Natur.)