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Schopenhauers Kosmos

 

 Universitätsphilosophie.

1) Übergewicht des Nachteils über den Nutzen der Kathederphilosophie.

Zwar ist das Lehren der Philosophie auf Universitäten ihr auf mancherlei Weise ersprießlich. Sie erhält damit eine öffentliche Existenz und ihre Standarte ist aufgepflanzt vor den Augen der Menschen. Ferner wird mancher junge und fähige Kopf mit ihr bekannt gemacht und zu ihrem Studium auferweckt. Aber dieser Nutzen der Kathederphilosophie wird von dem Nachteil überwogen, den die Philosophie als Profession der Philosophie als freier Wahrheitsforschung, oder die Philosophie im Auftrage der Regierung der Philosophie im Auftrage der Natur und Menschheit bringt. (P. I, 152 fg.)
Mit der Universitätsphilosophie ist es in der Regel bloß Spiegelfechterei; der wirkliche Zweck derselben ist, den Studenten im tiefsten Grunde ihres Denkens diejenige Geistesrichtung zu geben, welche das die Professuren besetzende Ministerium seinen Absichten angemessen hält. Daran mag dieses im staatsmännischen Sinn auch ganz Recht haben; nur folgt daraus, dass solche Kathederphilosophie ein nervis alienis mobile lignum ist und nicht für ernstliche, sondern nur für Spaßphilosophie gelten kann. (W. II, 180. P. I, 151 ff. 209.)

2) Gegensatz zwischen den Philosophieprofessoren und den wirklichen Philosophen.

Der eigentliche Ernst der Philosophieprofessoren liegt darin, mit Ehren ein redliches Auskommen für sich nebst Weib und Kind zu erwerben, auch ein gewisses Ansehen vor den Leuten zu genießen; hingegen wird das tiefbewegte Gemüt eines wirklichen Philosophen, dessen ganzer und großer Ernst im Aufsuchen eines Schlüssels zu unserm so rätselhaften, wie misslichen Dasein liegt, von ihnen zu den mythologischen Wesen gezählt. Denn dass es mit der Philosophie so recht eigentlicher, bitterer Ernst sein könne, lässt wohl in der Regel kein Mensch sich weniger träumen, als ein Dozent derselben. Daher gehört es zu den seltensten Fällen, dass ein wirklicher Philosoph zugleich ein Dozent der Philosophie gewesen wäre. (P. I, 153 fg.)
Die Leute, die von der Philosophie leben wollen, werden höchst selten eben Die sein, welche eigentlich für sie leben, bisweilen aber sogar Die, welche versteckterweise gegen sie machinieren. (P. I, 195.) Die Philosophie kann nur gedeihen, wenn sie aufhört, ein Gewerbe zu sein; die Erhabenheit ihres Strebens verträgt sich nicht damit. (P. I, 169. 210. W. I, Vorrede XIX; II, 179. N. Vorrede X fg.)
Um eigentlich zu philosophieren, muss der Geist keine Zwecke verfolgen und also nicht vom Willen gelenkt werden, sondern sich ungeteilt der Belehrung hingeben, welche die anschauliche Welt und das eigene Bewusstsein ihm erteilt. Philosophieprofessoren hingegen sind auf ihren persönlichen Nutzen und was dahin führt bedacht; da liegt ihr Ernst. Darum sehen sie so viele deutliche Dinge gar nicht, ja kommen nicht ein einziges Mal auch nur über die Probleme der Philosophie zur Besinnung. (P. II, 4 fg.)
Man nehme irgend einen wirklichen Philosophen zur Hand, gleichviel aus welcher Zeit, aus welchem Lande, sei es Plato oder Aristoteles, Cartesius oder Hume, Malebranche oder Locke, Spinoza oder Kant, — immer begegnet man einem schönen und gedankenreichen Geiste, der Erkenntnis hat und Erkenntnis wirkt, besonders aber stets redlich bemüht ist, sich mitzuteilen; daher er dem empfänglichen Leser bei jeder Zeile die Mühe des Lesens unmittelbar vergilt. Was dagegen die Schreiberei unserer Philosophaster so gedankenarm und dadurch marternd langweilig macht, ist zwar im letzten Grunde die Armut ihres Geistes, zunächst aber Dieses, dass ihr Vortrag sich durchgängig in höchst abstrakten, allgemeinen und überaus weiten Begriffen bewegt, daher auch meistens nur in unbestimmten, schwankenden, verblasenen Ausdrücken einherschreitet. (P. I, 176 fg.)

3) Gegen die Anmaßung der Universitäten in Sachen der Philosophie das große Wort zu führen.

Die Universitäten sind offenbar der Herd alles jenes Spiels, welches die Absicht mit der Philosophie treibt. Nur mittelst ihrer konnten Kants Epoche machende Leistungen verdrängt werden durch die Windbeuteleien eines Fichte und ihm Ähnlicher. Dies hätte nimmermehr geschehen können vor einem eigentlich philosophischen Publikum, d. h. einem die Philosophie ihrer selbst wegen suchenden, aus wirklich denkenden Köpfen bestehenden Publikum. Nur mittelst der Universitäten, vor einem aus gläubigen Studenten bestehenden Publikum, ist der ganze philosophische Skandal der letzten 50 Jahre möglich gewesen. Der Grundirrtum hierbei liegt nämlich darin, dass die Universitäten auch in Sachen der Philosophie das große Wort und die entscheidende Stimme sich anmaßen, welche allenfalls den drei oberen Fakultäten zukommt. Dass jedoch in der Philosophie, als einer Wissenschaft, die erst gefunden werden soll, die Sache sich anders verhält, wird übersehen; wie auch, dass bei Besetzung philosophischer Lehrstühle nicht, wie bei andern, allein die Fähigkeiten, sondern noch mehr die Gesinnungen des Kandidaten in Betracht kommen.
Öffentliche Lehrstühle gebühren allein den bereits geschaffenen, wirklich vorhandenen Wissenschaften, welche man daher eben nur gelernt zu haben braucht, um sie lehren zu können. Aber eine Wissenschaft, die noch gar nicht existiert, die ihr Ziel noch nicht erreicht hat, nicht einmal ihren Weg sicher kennt, ja deren Möglichkeit noch bestritten wird, eine solche Wissenschaft durch Professoren lehren zu lassen ist eigentlich absurd. (P. I, 193—195.)

4) Empfehlung der Einschränkung des philosophischen Unterrichts auf Universitäten.

Sieht man von den Staatszwecken ab und fasst bloß das Interesse der Philosophie ins Auge, so muss man wünschen, dass aller Unterricht in derselben auf Universitäten streng beschränkt werde auf den Vortrag der Logik, als einer abgeschlossenen und streng beweisbaren Wissenschaft, und auf eine ganz succinct vorzutragende und durchaus in Einem Semester von Thales bis Kant zu absolvierende Geschichte der Philosophie, damit sie in Folge ihrer Kürze und Übersichtlichkeit den eigenen Ansichten des Herrn Professors möglichst wenig Spielraum gestatte und bloß als Leitfaden zum künftigen eigenen Studium auftrete. (P. I, 210 fg.)