Tadeln.
Seine eigenen Fehler und Laster bemerkt man nicht, sondern nur
die der Andern, weil es die Natur des Auges mit sich bringt, dass es
nach Außen und nicht sich selbst sieht. Daher ist zum Innewerden
der eigenen Fehler das Bemerken und Tadeln derselben an Anderen ein
sehr geeignetes Mittel. Jeder hat am Anderen einen Spiegel, in
welchem er seine eigenen Laster, Fehler, Unarten und Widerlichkeiten
jeder Art erblickt. Allein meistens verhält er sich dabei, wie der Hund
welcher gegen den Spiegel bellt, weil er nicht weiß, dass er sich selbst
sieht, sondern meint, es sei ein anderer Hund. Wer Andere bekrittelt,
arbeitet an seiner Selbstbesserung. Also Die, welche die Neigung und
Gewohnheit haben, das Tun und Lassen der Anderen im Stillen, bei
sich selbst, einer aufmerksamen und scharfen Kritik zu unterwerfen, arbeiten
dadurch an ihrer eigenen Besserung und Vervollkommnung;
denn sie werden entweder Gerechtigkeit, oder doch Stolz und Eitelkeit
genug besitzen, selbst zu vermeiden, was sie so oft strenge tadeln.
(P. I, 488 fg.)