1) Unmöglichkeit der Seligkeit, so lange der Wille zum Leben bejaht wird.
Es liegt ein vollkommener Widerspruch darin, leben zu wollen, ohne
zu leiden, welchen daher auch das oft gebrauchte Wort
seliges Leben
in sich trägt. (
W. I, 108.)
So lange unser Wille derselbe ist, kann unsere Welt keine andere
sein. Zwar wünschen Alle erlöst zu werden aus dem Zustande des
Leidens und des Todes; sie möchten, wie man sagt, zur ewigen Seligkeit
gelangen, ins Himmelreich kommen; aber nur nicht auf eigenen
Füßen; sondern hingetragen möchten sie werden durch den Lauf der
Natur. Allein das ist unmöglich. Daher wird sie zwar uns nie
fallen und zu nichts werden lassen; aber sie kann uns nirgends hin
bringen, als immer wieder in die Natur. Wie misslich es jedoch sei,
als ein Teil der Natur zu existieren, erfährt Jeder an seinem eigenen
Leben und Sterben. (
W. II, 692 fg. Vergl. auch unter
Leben:
Charakter, Wert und Zweck des Lebens im Ganzen.)
2) Seligkeit der den Willen zum Leben verneinenden Heiligen.
Wir wissen, dass die Augenblicke der ästhetischen Kontemplation, in
denen wir allem Wollen, d. h. allem Wünschen und Sorgen, enthoben,
gleichsam uns selbst los werden, nicht mehr das zum Behufe seines
beständigen Wollens erkennende Individuum, sondern das willensreine
ewige Subjekt des Erkennens sind (vergl.
Ästhetisch), — dass diese
Augenblicke, wo wir, vom grimmen Willensdrange erlöst, gleichsam
aus dem schweren Erdenäther auftauchen, die seligsten sind, welche wir
kennen. Hieraus können wir abnehmen, wie selig das Leben eines
Menschen sein muss, dessen Wille nicht auf Augenblicke, wie dem Genuss
des Schönen, sondern auf immer, wie bei der Resignation der
Heiligen, beschwichtigt ist. Doch finden wir selbst im Leben heiliger
Menschen jene Ruhe und Seligkeit, die uns von ihnen geschildert wird,
nur als die Blüte, welche hervorgeht aus der steten Überwindung
des Willens, und sehen als den Boden, welchem sie entsprießt, den
beständigen Kampf mit dem Willen zum Leben; denn dauernde Ruhe
kann auf Erden Keiner haben. (
W. I, 461—463.)