1) Erhabenheit der Ruinen.
Die noch dastehenden Ruinen des Altertums rühren uns unbeschreiblich,
die Tempel zu Pästum, das Kolosseum, das Pantheon, Mäcenas
Haus mit dem Wasserfall im Saal; denn wir empfinden die
Kürze des menschlichen Lebens gegen die Dauer dieser Werke, die Hinfälligkeit
menschlicher Größe und Pracht; das Individuum schrumpft
ein, sieht sich als sehr klein, aber die reine Erkenntnis hebt uns darüber
hinaus, wir sind das ewige Weltauge, das dieses Alles sieht, das
reine Subjekt des Erkennens. Es ist das Gefühl des Erhabenen.
(
H. 363.
W. I, 243 fg.)
2) Analogie der Ruine mit der Kadenz in der Musik.
Als Amplifikation der Analogie der Musik mit der Baukunst (s.
unter
Architektur: Vergleichung der Baukunst mit den übrigen Künsten.)
könnte man noch hinzusetzen, dass, wenn die Musik, gleichsam in
einem Anfall von Unabhängigkeitsdrang, die Gelegenheit einer Fermate
ergreift, um sich, vom Zwang des Rhythmus losgerissen, in der freien
Phantasie einer figurierten Kadenz zu ergehen, ein solches vom Rhythmus
entblößtes Tonstück der von der Symmetrie entblößten Ruine
analog sei, welche man demnach, in der kühnen Sprache des bekannten
Witzwortes (dass Architektur gefrorene Musik sei) eine gefrorene
Kadenz nennen mag. (
W. II, 518.)