Reue.
1) Ursache und Gegenstand der Reue.
Reue entsteht nimmermehr daraus, dass (was unmöglich) der Wille, sondern daraus, dass die Erkenntnis sich geändert hat. Wir bereuen daher nie, was wir gewollt, wohl aber was wir getan haben, weil wir, durch falsche Begriffe geleitet, etwas Anderes taten, als unserm Willen gemäß war. Die Einsicht hierin, bei richtigerer Erkenntnis, ist die Reue. Immer ist die Reue berichtigte Erkenntnis des Verhältnisses der Tat zur eigentlichen Absicht. (W. I, 349 fg.)
Die Reue ist dadurch bedingt, dass vor der Tat die Neigung zu
dieser dem Intellekt nicht freien Spielraum ließ, indem sie ihm nicht
gestattete, die ihr entgegenstehenden Motive deutlich und vollständig ins
Auge zu fassen, vielmehr ihn immer wieder auf die zu ihr auffordernden
hinlenkte. Diese nun aber sind, nach vollbrachter Tat, durch
diese selbst neutralisiert, mithin unwirksam geworden. Jetzt bringt die
Wirklichkeit die entgegenstehenden Motive, als bereits eingetretene Folgen
der Tat, vor den Intellekt, der nunmehr erkennt, dass sie die
stärkeren gewesen wären, wenn er sie nur gehörig ins Auge gefasst
und erwogen hätte. Der Mensch wird also inne, dass er getan hat,
was seinem Willen nicht gemäß war; diese Erkenntnis ist die Reue.
Alle dergleichen Handlungen entspringen demnach im Grunde aus einer
relativen Schwäche des Intellekts, sofern nämlich dieser sich vom Willen
da übermeistern lässt, wo er, ohne sich von ihm stören zu lassen, seine
Funktion des Vorhaltens der Motive hätte unerbittlich vollziehen sollen.
Die Vehemenz des Willens ist dabei nur mittelbar die Ursache, sofern
sie nämlich den Intellekt hemmt und dadurch sich Reue bereitet.
(W. II, 679 fg.)