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Schopenhauers Kosmos

 

 Reue.

1) Ursache und Gegenstand der Reue.

Reue entsteht nimmermehr daraus, dass (was unmöglich) der Wille, sondern daraus, dass die Erkenntnis sich geändert hat. Wir bereuen daher nie, was wir gewollt, wohl aber was wir getan haben, weil wir, durch falsche Begriffe geleitet, etwas Anderes taten, als unserm Willen gemäß war. Die Einsicht hierin, bei richtigerer Erkenntnis, ist die Reue. Immer ist die Reue berichtigte Erkenntnis des Verhältnisses der Tat zur eigentlichen Absicht. (W. I, 349 fg.)
Die Reue ist dadurch bedingt, dass vor der Tat die Neigung zu dieser dem Intellekt nicht freien Spielraum ließ, indem sie ihm nicht gestattete, die ihr entgegenstehenden Motive deutlich und vollständig ins Auge zu fassen, vielmehr ihn immer wieder auf die zu ihr auffordernden hinlenkte. Diese nun aber sind, nach vollbrachter Tat, durch diese selbst neutralisiert, mithin unwirksam geworden. Jetzt bringt die Wirklichkeit die entgegenstehenden Motive, als bereits eingetretene Folgen der Tat, vor den Intellekt, der nunmehr erkennt, dass sie die stärkeren gewesen wären, wenn er sie nur gehörig ins Auge gefasst und erwogen hätte. Der Mensch wird also inne, dass er getan hat, was seinem Willen nicht gemäß war; diese Erkenntnis ist die Reue. Alle dergleichen Handlungen entspringen demnach im Grunde aus einer relativen Schwäche des Intellekts, sofern nämlich dieser sich vom Willen da übermeistern lässt, wo er, ohne sich von ihm stören zu lassen, seine Funktion des Vorhaltens der Motive hätte unerbittlich vollziehen sollen. Die Vehemenz des Willens ist dabei nur mittelbar die Ursache, sofern sie nämlich den Intellekt hemmt und dadurch sich Reue bereitet. (W. II, 679 fg.)

2) Unterschied zwischen Reue und Gewissensangst.

Gewissensangst über das Begangene ist nichts weniger als Reue, sondern Schmerz über die Erkenntnis seiner selbst an sich, d. h. als Wille. Sie beruht gerade auf der Gewissheit, dass man denselben Willen noch immer hat. Wäre er geändert und daher die Gewissensangst bloße Reue, so höbe diese sich selbst auf; denn das Begangene könnte dann weiter keine Angst erwecken, da es die Äußerungen eines Willens darstellt, welcher nicht mehr der des Reuigen wäre. (W. I, 350. Vergl. unter Gewissen: Ursprung der Gewissenspein.)

3) Die Pein der Reue, verglichen mit der des unerfüllten Wunsches.

Die Pein des unerfüllten Wunsches ist klein gegen die der Reue; denn jene steht vor der stets offenen, unabsehbaren Zukunft; diese vor der unwiderruflich abgeschlossenen Vergangenheit. (P. II, 625.)