Rat. Ratgeber.
In jedem Anderen ein mögliches Mittel zu unseren Zwecken, also ein
Werkzeug zu suchen, diese aus dem Egoismus entspringende Sinnesart
liegt beinahe schon in der Natur des menschlichen Blicks. Dass
wir diese Sinnesart bei Anderen voraussetzen, zeigt sich unter andern
auch daran, dass wenn wir von Jemanden Auskunft oder Rat verlangen,
wir alles Vertrauen zu seinen Aussagen verlieren, sobald wir
entdecken, dass er irgend ein, wenn auch nur kleines, oder entferntes
Interesse bei der Sache haben könnte. Denn da setzen wir sogleich
voraus, er werde uns zum Mittel seiner Zwecke machen, und seinen
Rat daher nicht seiner Einsicht, sondern seiner Absicht gemäß
erteilen. Andererseits wird in solchem Falle bei unserer Frage:
Was soll ich tun?dem Anderen oft gar nichts Anderes einfallen, als was wir seinen Zwecken gemäß zu tun hätten. Dies also wird er sogleich und wie mechanisch antworten, ehe nur die Frage zum Forum seines wirklichen Urteils gelangen konnte. So überwiegend ist der Einfluss des Willens über den der Erkenntnis. (E. 163 fg.)
Die erfahrenen Menschen wissen, dass zwischen Leuten, die in irgend
einem Verhältnisse zu einander stehen, eine aufrichtige, unbefangene
Gesinnung beinahe unmöglich ist, sondern stets eine gewisse Spannung
durch Aufmerken auf unseren nahen oder entfernten Vorteil Statt
hat; sie bedauern, aber sie wissen, dass es so ist und gehen nun mit
Freuden und Vertrauen aus der Mitte der ihrigen dem Wildfremden
entgegen, um sich ihm aufzuschließen; daher sind Mönche, die dem
Leben entsagt haben und alle solche ähnliche Menschen, so gute Ratgeber
und Vertraute. (H. 453 fg.)