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Schopenhauers Kosmos

 

 Misanthropie.

1) Entstehung der Misanthropie.

Bei der objektiven Erregung des Übelwollens durch den Anblick der Laster, Fehler, Schwächen, Torheiten, Mängel und Unvollkommenheiten aller Art, welchen mehr oder weniger Jeder den Anderen darbietet, kann es so weit kommen, dass vielleicht Manchem, zumal in Augenblicken hypochondrischer Verstimmung die Welt, von der ästhetischen Seite betrachtet, als ein Karikaturenkabinett, von der Intellektuellen als ein Narrenhaus, und von der moralischen als eine Gaunerherberge erscheint. Wird solche Verstimmung bleibend; so entsteht Misanthropie. (E. 199.)

2) Einfluss des Lebensalters auf die Misanthropie.

Jeder irgend vorzügliche Mensch wird nach dem vierzigsten Jahre von einem gewissen Anflug von Misanthropie schwerlich frei bleiben. Denn er hatte, wie es natürlich ist, von sich auf Andere geschlossen und ist allmählich enttäuscht worden, hat eingesehen, dass sie entweder von der Seite des Kopfes, oder des Herzens, meistens sogar Beider, ihm in Rückstand bleiben; weshalb er sich mit ihnen einzulassen vermeidet, wie denn überhaupt Jeder nach Maßgabe seines inneren Wertes die Einsamkeit lieben oder hassen wird. (P. I, 514.) Misanthropie und Liebe zur Einsamkeit sind Wechselbegriffe. (H. 452.)

3) Unterschied zwischen Misanthropie und der gewöhnlichen Feindseligkeit der Bösen.

Der Menschenhass eines Timon von Athen ist etwas ganz Anderes, als die gewöhnliche Feindseligkeit der Bösen. Jener entsteht aus einer objektiven Erkenntnis der Bosheit und Torheit der Menschen im Allgemeinen und ist eine Art edlen Unwillens. Diese hingegen ist etwas ganz Subjektives, nicht aus der Erkenntnis, sondern aus dem Willen entstanden und auf Einzelne sich beziehend. Der Misanthrop verhält sich zum gewöhnlichen Feindseligen, wie der Asket zum Selbstmörder. Die Feindseligkeit und der Selbstmord gehen nur auf einen einzelnen Fall, Misanthropie und Resignation auf das Ganze. Feindseligkeit und Selbstmord wären mit Aufhebung des einzelnen Falls verschwunden; Misanthropie und Resignation aber stehen fest und werden von nichts Zeitlichem bewegt. (M. 278 fg.)