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Schopenhauers Kosmos

 

 Malerei.

1) Gegensatz zwischen Malerei und Skulptur.

In der Skulptur bleiben Schönheit und Grazie die Hauptsache. Der eigentliche Charakter des Geistes hingegen, hervortretend in Affekt, Leidenschaft, Wechselspiel des Erkennens und Wollens, durch den Ausdruck des Gesichts und der Gebärde allein darstellbar, ist vorzüglich Eigentum der Malerei. Denn obwohl Augen und Farbe, welche außer dem Gebiet der Skulptur liegen, viel zur Schönheit beitragen; so sind sie doch für den Charakter noch weit wesentlicher. Ferner entfaltet sich die Schönheit vollständiger der Betrachtung aus mehreren Standpunkten; hingegen kann der Ausdruck, der Charakter, auch aus einem Standpunkt vollkommen aufgefasst werden. (W. I, 266.)
Weil in der Malerei nicht, wie in der Skulptur, Schönheit und Grazie die Hauptsache sind, sondern Ausdruck, Leidenschaft, Charakter das Übergewicht erhalten, muss in ihr von der Forderung der Schönheit ebenso viel nachgelassen werden. Denn eine durchgängige Schönheit aller Gestalten, wie die Skulptur sie fordert, würde dem Charakteristischen Abbruch tun, auch durch die Monotonie ermüden. Demnach darf die Malerei auch hässliche Gesichter und abgezehrte Gestalten darstellen. Die Skulptur hingegen verlangt Schönheit, wenn auch nicht stets vollkommene, durchaus aber Kraft und Fülle der Gestalten. Folglich ist ein magerer Christus am Kreuz, ein von Alter und Krankheit abgezehrter, sterbender heiliger Hieronymus, wie das Meisterstück Domenichinos, ein für die Malerei passender Gegenstand. — Von diesem Gesichtspunkt aus scheint die Skulptur der Bejahung, die Malerei der Verneinung des Willens zum Leben angemessen, und hieraus ließe sich erklären, warum die Skulptur die Kunst der Alten, die Malerei die der christlichen Zeiten gewesen ist. (W. II, 476.)

2) Überwiegen der subjektiven oder objektiven Seite des ästhetischen Wohlgefallens je nach der Verschiedenheit des Dargestellten in dem Gemälde.

Beim Stillleben und gemalter bloßer Architektur, Ruinen, Kirche von Innen u. dgl. ist die subjektive Seite des ästhetischen Genuss die überwiegende; d. h. unsere Freude daran liegt nicht hauptsächlich in der Auffassung der dargestellten Ideen unmittelbar, sondern mehr im subjektiven Korrelat dieser Auffassung, in dem reinen willenlosen Erkennen; da, indem der Maler uns die Dinge durch seine Augen sehen lässt, wir hier zugleich eine Mitempfindung und das Nachgefühl der tiefen Geistesruhe und des gänzlichen Schweigens des Willens erhalten, welche nötig waren, um die Erkenntnis so ganz in jene leblosen Gegenstände zu versenken und sie mit solcher Liebe, d. h. hier mit solchem Grade der Objektivität, aufzufassen. — Die Wirkung der eigentlichen Landschaftsmalerei ist nun zwar im Ganzen auch noch von dieser Art; allein, weil die dargestellten Ideen, als höhere Stufen der Objektität des Willens, schon bedeutsamer und vielsagender sind, so tritt die objektive Seite des ästhetischen Wohlgefallens schon mehr hervor und hält der subjektiven das Gleichgewicht. Das reine Erkennen als solches ist nicht mehr ganz die Hauptsache, sondern mit gleicher Macht wirkt die erkannte Idee, die Welt als Vorstellung auf einer bedeutenden Stufe der Objektivation des Willens. Aber eine noch viel höhere Stufe offenbart die Tier-Malerei und Tierbildhauerei, bei deren Darstellungen die objektive Seite des ästhetischen Wohlgefallens ein entschiedenes Übergewicht über die subjektive erhält. (W. I, 258.) Bei der Historienmalerei ist die objektive Seite der Freude am Schönen durchaus überwiegend und die subjektive in den Hintergrund getreten. (W. I, 260.)

3) Wirkung der nebensächlichen Schönheit in der Malerei.

Obgleich der eigentliche Zweck der Malerei, wie der Kunst überhaupt, ist, uns die Auffassung der (Platonischen) Ideen der Wesen dieser Welt zu erleichtern; so kommt ihr außerdem noch eine davon unabhängige und für sich gehende Schönheit zu, welche hervorgebracht wird durch die bloße Harmonie der Farben, das Wohlgefällige der Gruppierung, die günstige Verteilung des Lichts und Schattens und den Ton des ganzen Bildes. Diese ihr beigegebene, untergeordnete Art der Schönheit befördert den Zustand des reinen Erkennens und ist in der Malerei Das, was in der Poesie die Diktion, das Metrum und der Reim ist; beide nämlich sind nicht das Wesentliche, aber das zuerst und unmittelbar Wirkende. (W. II, 480.)

4) Wodurch die Technik des Malers den Schein der Wirklichkeit hervorbringt.

Die Kunst des Malers, bloß betrachtet sofern sie den Schein der Wirklichkeit hervorzubringen bezweckt, ist im letzten Grunde darauf zurückzuführen, dass er Das, was beim Sehen die bloße Empfindung ist, also die Affektion der Retina, d. i. die allein unmittelbar gegebene Wirkung, rein zu sondern versteht von ihrer Ursache, d. i. den Objekten der Außenwelt, deren Anschauung im Verstande allererst daraus entsteht; wodurch er, wenn die Technik hinzukommt, im Stande ist, dieselbe Wirkung im Auge durch eine ganz andere Ursache, nämlich aufgetragene Farbenflecken, hervorzubringen, woraus dann im Verstande des Betrachters durch die unausbleibliche Zurückführung auf die gewöhnliche Ursache die nämliche Anschauung wieder entsteht. (W. II, 479. G. 65.)

5) Worauf die große Verschiedenheit der Fähigkeit zum Nachbilden der schönen Natur in der Malerei beruht.

Da der Anblick einer schönen Aussicht ein Gehirnphänomen ist, die Reinheit und Vollkommenheit desselben daher nicht bloß vom Objekt, sondern auch von der Beschaffenheit des Gehirns und der Belebung seiner Tätigkeit abhängt, so fällt das Bild derselben Aussicht in verschiedenen Köpfen sehr verschieden aus, und hierauf beruht die große Verschiedenheit der Fähigkeit zum Genuss der schönen Natur und folglich auch zum Nachbilden derselben in der Malerei. (W. II, 29.) Warum stellt ein gewöhnlicher Maler, trotz aller Mühe, die Landschaft so schlecht dar? Weil er sie nicht schöner sieht. Und warum sieht er sie nicht schöner? Weil sein Intellekt nicht genugsam von seinem Willen gesondert ist. (N. 75.)

6) Die Historienmalerei.

Die Historienmalerei hat, wie das Drama, die Idee des vom vollen Erkennen beleuchteten Willens zum Objekt. (W. I, 251.) Die Idee, in welcher der Wille den höchsten Grad seiner Objektivation erreicht, unmittelbar anschaulich darzustellen, ist die große Aufgabe der Historienmalerei und der Skulptur. (W. I, 260.) Die Historienmalerei hat neben der Schönheit und Grazie noch den Charakter zum Hauptgegenstand. Die Entfaltung der Vielseitigkeit der Idee der Menschheit in bedeutungsvollen Individuen vor die Augen zu bringen und diese in ihrer Bedeutsamkeit durch mannigfaltige Szenen, Vorgänge und Handlungen sichtbar zu machen, ist ihre Aufgabe, welche sie dadurch löst, dass sie Lebensszenen jeder Art, von großer und geringer Bedeutsamkeit, vor die Augen bringt. Da weder irgend ein Individuum, noch irgend eine Handlung ohne Bedeutung sein kann, sondern in allen und durch alle sich mehr und mehr die Idee der Menschheit entfaltet; so ist durchaus kein Vorgang des Menschenlebens von der Malerei auszuschließen. Man tut folglich den vortrefflichen Malern der Niederländischen Schule Unrecht, wenn man bloß ihre technische Fertigkeit schätzt, im Übrigen aber verachtend auf sie herabsieht, weil sie meistens Gegenstände aus dem gemeinen Leben darstellen, man hingegen nur die Vorfälle aus der Weltgeschichte oder biblischen Historie für bedeutsam hält. Man sollte bedenken, dass die innere Bedeutsamkeit einer Handlung von der äußeren ganz verschieden ist und in der Kunst nur die innere Bedeutsamkeit gilt. Außerdem sind die Szenen und Vorgänge, welche das Leben so vieler Millionen von Menschen ausmachen, schon deshalb wichtig genug, um Gegenstand der Kunst zu sein, und müssen durch ihre reiche Mannigfaltigkeit Stoff genug geben zur Entfaltung der vielseitigen Idee der Menschheit. Sogar erregt die Flüchtigkeit des Augenblicks, welchen die Kunst in einem Genrebild fixiert, eine eigentümliche Rührung; denn die flüchtige Welt festzuhalten im dauernden Bilde ist eine Leistung der Malerkunst, durch welche sie die Zeit selbst zum Stillstand zu bringen scheint, indem sie das Einzelne zur Idee seiner Gattung erhebt. Endlich haben die geschichtlichen und nach Außen bedeutenden Vorwürfe der Malerei oft den Nachteil, dass gerade das Bedeutsame derselben nicht anschaulich darstellbar ist, sondern hinzugedacht werden muss. (W. I, 271—273.) Aus der Geschichte genommene Vorwürfe haben vor den aus der bloßen Möglichkeit genommenen und daher nicht individuell, sondern nur generell zu benennenden, nichts voraus; denn das eigentlich Bedeutsame in jenen ist doch nicht das Individuelle, die einzelne Begebenheit als solche, sondern das Allgemeine in ihr, die Seite der Idee der Menschheit, die sich durch sie ausspricht. Andererseits sind aber auch bestimmte historische Gegenstände deshalb keineswegs zu verwerfen; nur geht die eigentlich künstlerische Absicht derselben nie auf das eigentlich Historische in ihnen, sondern auf das Allgemeine, die Idee. (W. I, 273 fg.)
Daraus, dass kein Künstler fähig ist, die ursprüngliche Eigentümlichkeit eines Menschengesichts, die nur aus den geheimnisvollen Tiefen der Natur hervorgehen kann, zu ersinnen, ergibt sich, dass auf historischen Bildern immer nur Portraits figurieren dürften, welche dann freilich mit der größten Sorgfalt auszuwählen und in etwas zu idealisieren wären. Bekanntlich haben große Künstler immer nach lebenden Modellen gemalt und viele Portraits angebracht. (W. II, 479 fg.)

7) Unzulässigkeit der Allegorie in der Malerei.

(S. Allegorie.)