Klug. Klugheit.
1) Wesen der Klugheit.
Die Klugheit ist Schärfe des Verstandes in seiner praktischen Anwendung. Die Schärfe des Verstandes im Auffassen der kausalen Beziehungen der mittelbar (d. h. mittelst des Leibes, des unmittelbaren Objekts) erkannten Objekte findet nämlich ihre Anwendung nicht allein in der Naturwissenschaft, deren sämtliche Entdeckungen ihr zu verdanken sind; sondern auch im praktischen Leben, wo sie Klugheit heißt; da sie hingegen in der ersteren Anwendung besser Scharfsinn, Penetration und Sagazität genannt wird. Genau genommen bezeichnet Klugheit ausschließlich den im Dienste des Willens stehenden Verstand. (W. I, 25 fg. G. 78. F. 8.) In der Vollkommenheit der unmittelbaren Auffassung der Kausalitätsverhältnisse besteht alle Überlegenheit des Verstandes, alle Klugheit, Sagazität, Penetration, Scharfsinn; denn jene liegt aller Kenntnis des Zusammenhanges der Dinge, im weitesten Sinne des Wortes, zum Grunde. Ihre Schärfe und Richtigkeit macht den Einen verständiger, klüger, schlauer als den Andern. (E. 149.) Scharfe Auffassung der Beziehungen gemäß dem Gesetze der Kausalität und Motivation macht die Klugheit aus. (W. I, 223.)2) Formen der Klugheit.
Die praktische Anwendung des Verstandes, welche das Wesen der Klugheit ausmacht, wird, wenn sie mit Überlistung Anderer geschieht, Schlauheit genannt; wenn seine Zwecke sehr geringfügig sind, Pfiffigkeit; wenn sie mit dem Nachteil Anderer verknüpft sind, Verschmitztheit. (G. 78.)3) Unterschied zwischen klug
und vernünftig
.
Die Schärfe des Verstandes in Auffassung der kausalen Verhältnisse,
in deren praktischer Anwendung die Klugheit besteht, kann nicht durch abstrakte
Begriffe, welche das Werk der Vernunft sind, beigebracht werden;
daher vernünftig sein und klug sein zwei sehr verschiedene Eigenschaften
sind. (F. 8.) Vernunft hat jeder Tropf; gibt man ihm die Prämissen,
so vollzieht er den Schluss. Aber der Verstand liefert die
primäre Erkenntnis, folglich die intuitive, und da liegen die Unterschiede.
Die höchst verschiedenen Grade seiner Schärfe sind angeboren
und nicht zu erlernen. (G. 78.)
4) Gegensatz zwischen dem Klugen und Genialen.
Da scharfe Auffassung der Beziehungen gemäß dem Gesetze der Kausalität und Motivation eigentlich die Klugheit ausmacht, die geniale Erkenntnis aber nicht auf die Relationen gerichtet ist (vergl. Genie); so wird ein kluger, sofern und während er es ist, nicht genial, und ein Genialer, sofern und während er es ist, nicht klug sein. (W. I, 223.)
Der Blick der Klugheit, selbst der feinsten, ist von dem der Genialität
dadurch verschieden, dass er das Gepräge des Willensdienstes trägt, der
andere hingegen davon frei ist. (P. II, 676 fg.)