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Schopenhauers Kosmos

 

 Katholizismus.

1) Der Katholizismus in ethischer Hinsicht verglichen mit dem Protestantismus.

Der Protestantismus hat, indem er die Askese und deren Zentralpunkt, die Verdienstlichkeit des Zölibats, eliminierte, eigentlich schon den innersten Kern des Christentums aufgegeben und ist insofern als Abfall von demselben anzusehen. Luther mochte, vom praktischen Standpunkte aus, d. h. in Beziehung auf die Kirchengräuel seiner Zeit, die er abstellen wollte, ganz Recht haben; nicht aber ebenso vom theoretischen Standpunkte aus. Je erhabener eine Lehre ist, desto mehr steht sie, der im Ganzen niedrig und schlecht gesinnten Menschennatur gegenüber, dem Missbrauch offen; darum sind im Katholizismus der Missbräuche, so sehr viel mehr und größere, als im Protestantismus. So z. B. ist das Mönchstum, diese methodische und, zu gegenseitiger Ermutigung, gemeinsam betriebene Verneinung des Willens, eine Anstalt erhabener Art, die aber eben darum meistens ihrem Geiste untreu wird. Die empörenden Missbräuche der Kirche riefen im redlichen Geiste Luthers eine hohe Indignation hervor. Aber in Folge derselben kam er dahin, vom Christentum selbst möglich viel abdingen zu wollen, zu welchem Zweck er zunächst es auf die Worte der Bibel beschränkte, dann aber auch im wohlgemeinten Eifer zu weit ging, indem er, im asketischen Prinzip, das Herz desselben angriff. Denn nach dem Austreten des asketischen Prinzips trat notwendig bald das optimistische an seine Stelle, — ein Grundirrtum, der in den Religionen, wie in der Philosophie, aller Wahrheit den Weg vertritt. Nach dem allen scheint der Katholizismus ein schmählich missbrauchtes, der Protestantismus aber ein ausgeartetes Christentum zu sein, das Christentum überhaupt also das Schicksal gehabt zu haben, dem alles Edle, Erhabene und Große anheim fällt, sobald es unter Menschen bestehen soll. (W. II, 716 fg. P. II, 415.) Der Katholizismus ist eine Anweisung den Himmel zu erbetteln, welchen zu verdienen zu unbequem wäre. Die Pfaffen sind die Vermittler dieser Bettelei. (M. 349.)

2) Der Katholizismus in Intellektueller Hinsicht verglichen mit dem Protestantismus.

In den protestantischen Kirchen ist der augenfälligste Gegenstand die Kanzel, in den katholischen der Altar. Dies symbolisiert, dass der Protestantismus sich zunächst an das Verständnis wendet, der Katholizismus an den Glauben. (H. 434.)
Alle Superstitionen haben den gar nicht zu verachtenden Gewinn, dass sie durch die imaginäre Welt, die sie schaffen, den Gläubigen in Umgang mit Dämonen, Göttern und Heiligen bringen, — ein Umgang, der beständig die Hoffnung unterhält und, durch den Reiz der Täuschung, oft interessanter wird, als der Umgang mit wirklichen Wesen. Daraus erklärt es sich, warum der Katholizismus zauberischer wirkt, als der Protestantismus. (W. I, 380 fg. H. 426 fg.)
Die katholische Kirche hat, richtig erkennend, dass der Theismus in dem Maße schwinden muss, als die physische Astronomie popularisiert wird, konsequenter Weise das Kopernikanische System verfolgt, worüber daher sich so sehr und mit Zetergeschrei über die Bedrängnis des Galilei zu verwundern einfältig ist. (P. I, 56. 127.)