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Schopenhauers Kosmos

 

 Gut.

1) Kritik der Behandlungsweise des Begriffs gut in der modernen Philosophie.

Viele moderne Philosophen halten fälschlich die Begriffe gut und böse für einfache, d. h. keiner Erklärung bedürftige, noch fähige Begriffe und reden dann meistens sehr geheimnisvoll und andächtig von einer Idee des Guten, aus welcher sie die Stütze ihrer Ethik, oder wenigstens einen Deckmantel ihrer Dürftigkeit machen. (E. 264. W. I, 425.) Eben so machen sie es mit den Begriffen schön und wahr, denen sie noch durch ein angehängtes heit eine besondere Feierlichkeit geben, so dass dann jeder zum Denken Unfähigste nur glaubt, mit feierlicher Miene jene drei Worte vorbringen zu dürfen um große Weisheit geredet zu haben; während doch dieselben in Wahrheit drei sehr weite und abstrakte, folglich gar nicht inhaltsreiche Begriffe bezeichnen, welche sehr verschiedenen Ursprung und Bedeutung haben. (W. I, 425. G. 114.)

2) Relativität des Begriffes gut.

Der Begriff gut ist wesentlich relativ und bezeichnet die Angemessenheit eines Objekts zu irgend einer bestimmten Bestrebung des Willens. Also das Verschiedenste, wofern es nur dem Willen in irgend einer seiner Äußerungen zusagt, seinen Zweck erfüllt, erhält das Prädikat gut. Wie alle anderen Wesen, die in Beziehung zum Willen treten können, hat man nun auch Menschen, die den gerade gewollten Zwecken günstig, förderlich waren, gut genannt, in derselben Bedeutung und immer mit Beibehaltung des Relativen. Diejenigen aber, deren Charakter es mit sich brachte, überhaupt die fremden Willensbestrebungen nicht zu hindern, vielmehr zu befördern, also die Hilfreichen, Wohlwollenden, Freundlichen, Wohltätigen, sind wegen dieser Relation ihrer Handlungsweise zum Willen Anderer überhaupt, gute Menschen genannt worden. (W. I, 425 fg. E. 265.) Wegen der Relativität jedes Guten ist Absolutes Gut ein Widerspruch. Es gibt kein absolutes, kein höchstes Gut, keine finale Befriedigung des Willens; sondern stets nur ein einstweiliges. Aber tropisch könnte man die gänzliche Selbstaufhebung und Verneinung des Willens das absolute Gut nennen. (W. I, 427 fg.)

3) Zwei Unterarten des Begriffes gut.

Der Begriff des Guten zerfällt in zwei Unterarten, nämlich die der unmittelbar gegenwärtigen und die der nur mittelbaren, auf die Zukunft gehenden Befriedigung des jedesmaligen Willens, d. h. das Angenehme und das Nützliche. (W. I, 426.)

4) Wesen des guten Menschen, an sich selbst betrachtet.

Erst nachdem der gut genannte Mensch dieses Prädikat in Beziehung auf den passiven Teil, den fremden Willen, dessen Bestrebungen durch ihn gefördert werden, erhalten hatte, konnte später die Betrachtung vom passiven auf den aktiven Teil übergehen und die Handlungsweise des guten Menschen nicht mehr in Bezug auf Andere, sondern auf ihn selbst untersuchen, nach ihrer inneren Quelle und nach dem Grunde ihrer ethischen Billigung forschend, worauf die ethischen Systeme entstanden. (W. I, 426.)
Untersuchen wir nun den Charakter eines guten Menschen nicht bloß in Hinsicht auf Andere, sondern an sich selbst; so ergibt sich, dass die ganz unmittelbare Teilnahme am Wohl und Wehe Anderer, aus welcher die Tugenden der Gerechtigkeit und Menschenliebe in ihm hervorgehen, ihre Quelle darin hat, dass er weniger, als die Übrigen, einen Unterschied zwischen sich und Anderen macht, dass er das principium individuationis durchschaut, sich in den Andern wiedererkennt. (E. 265. 271. W. I, 439 fg. 447. W. II, 580. Vergl. Böse.)

5) Unterschied zwischen dem Guten und dem scheinbar Gutmütigen.

Der gute Mensch ist keineswegs für eine ursprünglich schwächere Willenserscheinung, als der böse, zu halten; sondern es ist die Erkenntnis, welche in ihm den blinden Willensdrang bemeistert. Es gibt zwar Individuen, welche bloß scheinen gutmütig zu sein, wegen der Schwäche des in ihnen erscheinenden Willens; was sie sind, zeigt sich aber bald daran, dass sie keiner beträchtlichen Selbstüberwindung fähig sind, um eine gerechte oder gute Tat auszuführen. (W. I, 439.)