1) Wahrheit der Lehre von der Gnadenwahl.
Der christlichen Lehre von der Gnadenwahl gab die Einsicht den
Ursprung, dass der Hauptsache und dem Inneren nach die Tugend gewissermaßen,
wie der Genius, angeboren ist, und dass so wenig als
abstrakte Ästhetik Einem die Fähigkeit genialer Produktion beibringen
kann, eben so wenig abstrakte Ethik einen unedlen Charakter zu einem
tugendhaften, edlen umzuschaffen vermag. (
W. I, 624 fg.
P. II, 243.)
Das Dogma von der Prädestination in Folge der Gnadenwahl und
Ungnadenwahl (Röm. 9, 11—24) ist offenbar aus der Einsicht entsprungen,
dass der Mensch sich nicht ändert, sondern sein Leben und
Wandel, d. i. sein empirischer Charakter, nur die Entfaltung des intelligiblen
ist, die Entwicklung entschiedener, schon im Kind erkennbarer,
unveränderlicher Anlagen, daher gleichsam schon bei seiner Geburt sein
Wandel fest bestimmt ist und sich bis ans Ende im Wesentlichen gleich
bleibt. (
W. I, 346.)
2) Die Konsequenzen aus der Verbindung dieser
Einsicht mit jüdischen Dogmen.
Die Konsequenzen, welche aus der Vereinigung dieser ganz richtigen
Einsicht mit den in der jüdischen Glaubenslehre vorgefundenen Dogmen
hervorgingen und nun die allergrößte Schwierigkeit, den ewig unauflöslichen
gordischen Knoten gaben, um welchen sich die allermeisten
Streitigkeiten der Kirche drehen, kann die Philosophie nicht übernehmen
und vertreten. (
W. I, 346.)